Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

kurz vor der der Artnet Hauptversammlung September 2025; Foto Stefan Kobel
kurz vor der der Artnet Hauptversammlung September 2025; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 41 2025

Das Galeriesterben scheint auf den ersten Blick kein Ende zu nehmen. Almine Rech schließt ihre Londoner Galerie und liquidiert ihre dortige Firma, meldet Melanie Gerlis im Art Newspaper (evtl. Paywall): „Die internationale Galerie Almine Rech hat ihren Standort in Londons Stadtteil Mayfair geschlossen und ihr Geschäft in Großbritannien freiwillig liquidiert. Unterlagen beim britischen Handelsregister bestätigen, dass die Londoner Niederlassung, die kürzlich als LG Realizations 2025 neu registriert wurde, im August in Liquidation ging. In einer Erklärung der Galerie heißt es, dies sei 'ein technischer Schritt zur Umstrukturierung eines Mietvertrags gewesen, der nicht mehr mit unseren Plänen vereinbar war'.Gleichzeitig schließe Pace seine Galerie in Hongkong, berichtet Kabir Jhala ebenfalls im Art Newspaper: „Pace wird seinen Galerieraum in Hongkong Ende dieses Monats schließen. 'Unser Galerieraum im H Queen's erfüllt seinen Zweck nicht mehr, und da unser Mietvertrag ausläuft, nutzen wir wie viele andere Galerien die Gelegenheit, um auszuziehen”, fügt der Sprecher hinzu. [...] Hongkongs Bedeutung als wichtigster asiatischer Standort für internationale Galerien ist durch den starken Rückgang der Ausgaben chinesischer Sammler aus dem Festland, den politischen Druck aus Peking und den Abschwung auf dem Weltmarkt gefährdet. Im vergangenen Jahr schloss die Galerie Lévy Gorvy Dayan ihre Räumlichkeiten in Hongkong und hat sie seitdem nicht wiedereröffnet.“ Für Wehklagen über die Krise im Kunstmarkt sind diese Nachrichten allerdings kein Anlass. Die Großgalerien agieren wie Filialisten in anderen Branchen auch. Ihr Geschäftsmodell ist skalierbar und wird dem Umsatz an den jeweiligen Standorten angepasst. Wenn es mal nicht so gut läuft, wird der eine oder andere Showroom dichtgemacht. Zieht die Konjunktur wieder an, wird expandiert.

Dabei tut sich durchaus etwas in der Galerienszene, wie Annie Armstrong bei Artnet (evtl. Paywall) berichtet: „Bericht aus Los Angeles: Die Lücke, die durch die Schließung von Blum in diesem Sommer entstanden ist, könnte durch – Trommelwirbel bitte – einen weiteren Blum gefüllt werden! Am 1. Juli, zwei Tage bevor der Galerist Tim Blum bekannt gab, dass er seine renommierte Galerie schließen würde, eröffnete sein ältester Sohn August Blum eine Skulpturenausstellung des Künstlers Bennet Koziak in einem Lagerraum im Echo Park – einem Raum, den er 'The Village' nennt. […] Das Village liegt abseits der ausgetretenen Pfade der wichtigsten Galerien der Stadt, aber in der Nähe anderer Orte, die man kennen muss, um sie zu finden.“

Ebenfalls neu eröffnet Colnaghi ein Standbein – in Saudi-Arabien. Das meldet Melissa Gronlund im Art Newspaper: „Colnaghi, einer der ältesten noch bestehenden Kunsthändler der Welt, wird nach einer Vereinbarung mit der saudischen Private-Equity-Firma Sarat Investment Holding im Wert von 10 Millionen saudischen Rial (rund 2 Millionen Pfund) einen Raum in Riad eröffnen. [...] Islamische Kunst und Artefakte sind jedoch ein wichtiger Bereich für Sammler in der Region, und laut einer lokalen Quelle wird Colnaghi voraussichtlich mit dem Verkauf in diesem Bereich beginnen.“

Damit verfestigt sich der Trend, dem Lockruf des Geldes an den Golf zu folgen, dem auch Glen Lowry, scheidender Leiter des MoMA, als zukünftiger Berater der Islamic Arts Biennale erlegen ist, wie Valentina di Liscia kritisch bei Hyperallergic bemerkt: „Aber vielleicht unterscheidet es sich gar nicht so sehr von den Patronatsmodellen in den USA, zumindest nicht für Lowry, der es gewohnt ist, Geld von zwielichtigen Gestalten anzunehmen. Schließlich hat auch der Vorstand des MoMA seine eigene fragwürdige Menschenrechtsbilanz. [...] Auf jeden Fall hatte Lowry seine Ansichten zu den ethischen Konflikten in der Kunstwelt bereits 2023 klar zum Ausdruck gebracht – ironischerweise ebenfalls im Podcast 'Art World: What If…?!', als er in der zweiten Folge erklärte, dass es 'Faschismus' sei, Stiftungsratsmitglieder nach ihrer politischen Zugehörigkeit oder finanziellen Verstrickungen zu befragen.“

Apropos: Der Museumsverband Icom hält seine 27. Jahrestagung Mitte November in Dubai und damit erstmalig in einem Land der arabischen Welt ab. Parallel findet die Museum Fair statt.

Die Auktionen in Hongkong senden derweil positive Signale, meldet Elisa Carollo im Observer: „Angeführt von dem mit Spannung erwarteten Picasso-Gemälde „Buste de femme“ (1944) erzielte die Abendauktion für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts von Christie's am Freitag, dem 26. September, in Hongkong mit einem Gesamtergebnis von 565.649.000 HK$ (73.038.183 $) knapp kein White-Glove-Ergebnis und sorgte damit für einen starken Start in die Saison der großen Abendauktionen im Herbst, die nun in Asien beginnen, bevor sie nach London und New York weiterziehen.“

Ein starker regionaler Marktplatz könnte sich in Atlanta entwickeln, glaubt Daniel Cassady von Artnews: „Letzte Woche, während der zweiten Ausgabe der Atlanta Art Fair, schwebte eine Frage in der feuchten Luft des Südens: Was müsste Atlanta tun, um zu einem nationalen Kunstzentrum zu werden, ähnlich wie Dallas mit seinen Milliardären und großzügigen Museen oder Chicago mit seinen kleinen, von Künstlern betriebenen Galerien und seiner starken Universitätslandschaft? Das Geld ist bereits vorhanden: Sportvermögen, der Boom der Filmindustrie dank Steuererleichterungen, eine aufstrebende Tech-Branche und eine Handvoll wohlhabender Familien aus dem Süden. Was fehlt, ist schwerer zu fassen. […] Der Eröffnungstag war lebhaft, aber nicht mit den typischen Kunstmesse-Besuchern. Es waren genauso viele Schüler und Studenten da wie Leute in Gucci-Halbschuhen. Falcons-Trikots und T-Shirts waren dreimal so zahlreich wie Blazer. Sowohl die Besucher als auch die Mitarbeiter waren gut gelaunt. 'Hey Leute, willkommen, viel Spaß!', sagte die Person, die mein Ticket scannte, als ich die Messe betrat. Würde das jemals auf der Frieze oder der Art Basel gesagt werden?“

Von der Contemporary Istanbul gibt es noch einen etwas verspäteten, aber erhellenden Bericht von Werner Bloch für den Tagesspiegel (Paywall), der die Veranstaltung in der gesellschaftlichen Situation des Landes verortet: „Doch ausgerechnet eine Kunstmesse, die Contemporary Istanbul (CI), ist so etwas wie eine Bastion gegen die wachsende Diktatur. Hier herrscht ein Geist der Freiheit und der Offenheit. Die CI war in Teilen eine Messe der Mutigen, wenn auch die Botschaften oft versteckt sind und zum Teil dechiffriert werden müssen. 'Es gibt vielerorts Probleme mit der Demokratie und den Menschenrechten', sagt Messegründer Ali Güreli, nachdem Künstler und Galeristen wieder abgereist sind. 'Wir alle, und gerade die Künstler, müssen ganz ruhig bleiben, intelligent – und radikal.' Was für ein Statement. Güreli hat die CI erfunden und trotz aller Hürden realisiert. Er ist der Visionär, wie man ihn selten findet.“

Ebenfalls etwas verspätet ist mein Bericht von der Fine Art Biennale Paris, der Nachfolgerin der Biennale des Antiquaires und der Fine Arts Paris, im Handelsblatt online.

In Wien hält sich mit erstaunlicher Hartnäckigkeit eine Messe, die außerhalb zu Recht kaum jemand auf dem Schirm hat. Eine gleichwohl nicht uninteressante Beobachtung teilt Werrner Remm bei Artmagazine: „Mit der Fair For Art Vienna ist am vergangenen Freitag die vierte der Wiener Herbstmessen gestartet. Die Kunstmesse in der Aula der Wissenschaften im ersten Wiener Gemeindebezirk verzeichnet dieses Jahr mit 45 Galerien, Kunsthandlungen und einer Sonderausstellung die bislang höchste Zahl an Teilnehmer:innen. Die zusätzlichen Ausstellenden rekrutieren sich beinahe alle aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst, der Kunst- und Antiquitätenhandel befindet sich weiter auf dem Rückzug und kombiniert klassische Kunst mit aktuellen Werken.“

Einen Ratgeber zum Kauf von Antiken hat Nina Siegal im Vorfeld der Frieze Masters für die New York Times zusammengestellt.

Erstaunlich geringes Echo in den einschlägigen internationalen Medien hat die letzte Hauptversammlung von Artnet vor seiner Privatisierung gefunden. Lediglich Daniel Cassady beruft sich bei Artnews auf meinen Bericht für das Handelsblatt: „Andrew E. Wolff, der laut boerse.de etwa 98,93 Prozent der Artnet-Aktien hält und auch die Konkurrenzplattform Artsy besitzt, wird als Interims-Geschäftsführer fungieren. Anfang dieses Jahres hatte Wolffs Beowolff Capital ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für das Unternehmen abgegeben. Jan Petzel, Geschäftsführer von Wolffs Leonardo Art Holdings, sagte, er sei von Pabsts Rücktritt überrascht gewesen, aber froh, dass die Jahreshauptversammlung stattgefunden habe.“ Dabei dürften sich sowohl die Medienlandschaft der Kunstwelt wie auch der Onlinemarkt und vor allem die Kommodifizierung von Kunst dramatisch verändern, wenn der Eigentümer von Artnet und Artsy das Potential des Zusammenspiels der beiden Unternehmen ausschöpft.

Private Deals und Private Auctions als in ihrer Intransparenz den Schattenbanken nicht unähnliche Instrumente beschreibe ich für Monopol (Paywall).

Den Freispruch für Ryder Ripps wegen seiner Kopien der Bored Ape Yacht Club (BAYC)-NFTs kommentiert Annika von Taube bei Monopol (Paywall): „Das Interessanteste an diesem Fall (der übrigens wieder zurück ans Bezirksgericht verwiesen wurde, wo er möglicherweise noch mal neu aufgerollt wird, wenn die Leute von Yuga Labs so blöd sind wie ihre Affenbilder) ist aber, dass es sich hier um Appropriation-Art in digitaler Form handelt. Während eine Sherrie Levine ihre Kopien noch mühsam aus Katalogen abfotografieren musste, geht im Digitalen das Appropriieren ganz einfach per Rechtsklick. Potenziell ließe sich also eine unendliche Anzahl von identischen Motiven mit jeweils eigenen Smart Contracts als einzigartige NFTs generieren. Der Wert würde dann nicht mehr durch das Motiv an sich bestimmt, sondern [durch] seine Blockchainadresse(n).“

Mit Carly Murphy hat die Art Basel eine hochrangige Mitarbeiterin von Christie's angeworben, ist einer Pressemitteilung zu entnehmen. Daniel Cassady ordent die Personalie für Artnews ein: „Die Einstellung erfolgt inmitten umfassender Veränderungen zwischen Auktionshäusern, Galerien und Messen. Der ehemalige Geschäftsführer von Christie's, Guillaume Cerutti, trat im Januar zurück, um zur Familie Pinault zu wechseln, während Brooke Lampley von Sotheby's zu Gagosian wechselte und Jussi Pylkkänen von Christie's das Unternehmen verließ, um als privater Berater tätig zu werden. Horowitz selbst wechselte kurzzeitig zu Sotheby's, bevor er 2022 als CEO zur Art Basel zurückkehrte.“

In Japan ist laut eines Berichts des englischsprachigen Fernseesenders NHK World Japan eine Beltracchi-Fälschung aufgetaucht. Julia Encke fasst für die FAZ: „NHK zeigte Beltracchi zusammen mit einem Verantwortlichen des Unternehmens im Online-Interview. Dort gab er zu: 'Ich habe es um 1990 gemalt. Ich habe mich intensiv mit Kisling beschäftigt und seine Bilder gemalt, daher war und bleibt es ein Werk Kislings. Ich habe selbst ziemlich hart daran gearbeitet, ein außergewöhnlich gutes Werk zu schaffen, daher glaube ich nicht, dass die Leute enttäuscht sind.'“

Den Tod des ehemaligen Artnews-Eigentümers Milton Esterow im Alter von 97 Jahren beklagt Alex Greenberger ebendort: „Esterow kaufte ARTnews 1972 von Newsweek, damals eine Tochtergesellschaft der Washington Post Company, und blieb bis 2014 Eigentümer, als ARTnews an Sergey Skaterschikov verkauft wurde. (Zwei Jahre später wurde die Publikation von Peter Brant übernommen, der auch Art in America besaß; seit 2018 gehören beide Publikationen zur Penske Media Corporation. Während seiner Zeit als Eigentümer von ARTnews verwandelte Esterow das Magazin in ein nachrichtenorientiertes Unternehmen und verlieh der Publikation neue Energie, die sie in den Jahren nach dem Krieg verloren hatte, als ihre Kritiker dazu beitrugen, Bewegungen wie den Abstrakten Expressionismus und die Pop-Art zu definieren.“