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KKVG #7 Apr 2018

7. Kölner Kunst­versicherungs­gespräch
12. April 2018 auf der Art Cologne

Gurlitt, Stern, Flechtheim - wer versichert mir Geschichte? - unter diesem Titel fand dieses Jahr das 7. Kölner Kunstversicherungsgespräch im Rahmen der Art Cologne statt.

„Wer versichert mir Geschichte?“ fragte das 7. Kölner Kunstversicherungsgespräch. Vor rund 200 Gästen diskutierten auf Einladung des Kölner Kunstversicherungsmaklers Zilkens Fine Art auf der Art Cologne am Freitag, 20. April Fachleute aus Versicherungswirtschaft, Kunsthandel und Journalismus über ein Thema, das vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger Gesetzgebung den Kunsthandel zunehmend beeinflusst.

Dabei stellte sich heraus, dass die Provenienz von Kunstwerken nicht nur immer noch, sondern zunehmend eine Herausforderung für die Branche und für Sammler darstellt. Schwer praktikable bis absurde rechtliche Regelungen der EU und Deutschlands stellen zum Teil existenzbedrohende Behinderungen für den Handel dar und rücken Sammler in die Nähe zur Kriminalität.

„Diese Branche hat keine Lobby“, erklärte Zilkens in seiner Einführung. Zudem führten Unterschiede zum Rechtssystem der USA zu Unwägbarkeiten. Selbst bisher sicher geglaubte Formen des Eigentumserwerbs seien dadurch unberechenbar, wie aktuelle Fälle zeigten.

Dabei unternimmt der Handel bereits seit Jahren große Anstrengungen bei der Klärung von Provenienzen. Karin Schulze-Frieling von der Dortmunder Galerie Utermann, die gleichzeitig im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Galerien BVDG ist, erklärte das Vorgehen bei der Übernahme von Kunstwerken: Zunächst werde die Echtheit geprüft, anschließend der Wert ermittelt und ein Vertrag mit dem Eigentümer ausgearbeitet, der die Verkaufsmodalitäten regelt. Danach beginne die Provenienzforschung. Sie wies darauf hin, dass der Handel dazu sogar verpflichtet ist. Die 1.000 Werke, die bisher entdeckt wurden, seien alle vom Handel identifiziert worden.

Zur Provenienzrecherche gehört routinemäßig die Abfrage einschlägiger Datenbanken, in denen Raubkunst und gestohlene Kunstwerke verzeichnet sind. Amelie Ebbinghaus von Art Loss Register in London berichtete, dass neben Galerien mittlerweile 110 Auktionshäuser ihre Firma mit der Prüfung aller Lose schon ab niedrigen vierstelligen Schätzpreisen auf Provenienz überprüfen lassen. Sie nutzt dafür sowohl die eigene Datenbank wie auch die von Interpol, bei schwierigeren Fällen weitere Quellen wie Lostart und ERR Project in Frankreich, sowie Auktionskataloge der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sogenannte Red Flag Names, deren Zahl in die Tausende gehen, lösten automatisch intensivere Recherchen aus. Schulze-Frieling bemängelte, dass etwa Lostart benutzt werden müsse, aber offen für Missbrauch sei, da dort jeder alles eintragen und damit nicht handelbar machen kann. Das Art Loss Register hingegen will wissen, wer auf die eigenen Daten zugreift, um Missbrauch zu vermeiden und um bei positiven Treffern zu verhindern, dass die Werke wieder abtauchen, um erneut irgendwo angeboten zu werden.

Julia Barbara Ries von der Ergo-Kunstversicherung prüft Werke ebenfalls auf Provenienz und Echtheit, weil sie solche Risiken nicht versichern kann. Detailprovenienzforschung überlässt sie jedoch Spezialisten. Über eine Defective Title-Insurance könnten Eigentumsansprüche Dritter unter Umständen gedeckt werden, entweder als Rechtsschutzversicherung oder zumindest mit Erstattung des Kaufpreises, falls sich die Ansprüche als berechtigt erweisen. Diese Versicherung wird bei wenigen Anbietern für Neuankäufe in der Versicherungsperiode mit niedrigen Limiten im Privatbereich als Rechtschutz angeboten. Spezielle Title-Versicherungen aus dem anglo-amerikanischen Raum gingen weiter, etwa bei Restitutionen von Ausleihen.

Der Autor Maurice Philip Remy besteht darauf, dass der Holocaust aufgearbeitet wird, wies aber darauf hin, dass weniger als 0,1 der geprüften Werke tatsächlich raubkunstverdächtig sind. Die Verpflichtung zu handeln, sieht er jedoch hauptsächlich beim Staat. Er fragte, warum jüdische Opfer und deren Erben deutschen Museen gegenüber immer noch als Bittsteller auftreten müssen. Die gerade bewilligten zusätzlichen Mittel für Provenienzforschung von 6 Millionen Euro seien lächerlich, wenn man bedenkt, dass die Erforschung der 1.500 Werke der Sammlung Gurlitt schon 3 Mio. Euro gekostet hat. Beim bisherigen Tempo würde die Überprüfung aller Museumsbestände 1.000 Jahre dauern.

Aus Privatbesitz bestehe überhaupt keine Handhabe für Restituierung. Lediglich Art. 14 des Grundgesetzes ermöglicht Beschlagnahme im Sinne des öffentlichen Interesses. Das wolle aber niemand, als letzter der Finanzminister. Alle Initiativen des Gesetzgebers sollten daher nur die Aufmerksamkeit von den eigenen Versäumnissen ablenken und die Verantwortung an den Handel abwälzen.

Er betont, dass die Sammlung Gurlitt tatsächlich eine Ansammlung ist, die sich im Lauf von einem Jahrhundert in der Familie angehäuft hat. Seiner Meinung nach hätte sie aufgrund des Kulturgutschutzgesetzes das Land überhaupt nicht verlassen dürfen, gar nicht mal wegen der Qualität, die in Teilen medioker sei, sondern wegen der Sammlungsgeschichte, die das Drama der deutschen Geschichte des 19./20. abbildet.

Er betont, dass es sich um eine Privatsammlung handelt, die, egal, ob Raubkunst dabei ist oder nicht, auf gar keinen Fall hätte beschlagnahmt werden dürfen, weil sie nicht restitutionspflichtig ist.

Ebbinghaus gab zu Bedenken, dass einvernehmliche Regelungen in der Regel besser funktionieren als Gerichtsverfahren, weil es in Prozessen immer einen Gewinner und einen Verlierer gibt und die Verfahren sich über Jahrzehnte hinziehen können. Schulze-Frieling forderte, der Staat solle mit gutem Beispiel vorangehen, damit sich auch private Sammler animiert fühlen, zur Einigungen beizutragen. In diesem Sinne äußerte sich auch der im Publikum anwesende Anwalt Markus H. Stötzel, der seit zehn Jahren die Erben des legendären Kunsthändlers Alfred Flechtheim vertritt. Die Politik kann sich zwar engagieren, muss es aber nicht. Es gibt keine gesetzliche Grundlage.“ Bisher liefen Restitutionen von Privat auf moralischer Grundlage. „Das sollte der Gesetzgeber auf eine verbindliche Basis stellen“, fordert er und drückt damit den allgemeinen Konsens der Beteiligten aus.

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