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Kunstwoche

Kobels Kunstwoche

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Paper Positions Vienna 2025; Foto artmagazine.cc
Paper Positions Vienna 2025; Foto artmagazine.cc
Portraitfoto von Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 47 2025

Den gleichen Fehler wie die großen Konzernmessen scheint die Paris Photo im Grand Palais zu machen, folgt man Emil J. Sennewald im Handelsblatt: „Auch der 'Emergence'-Sektor, wieder auf den umlaufenden Galerien des Grand Palais untergebracht, wirkt entfernt. Vielleicht sollte die üppige VIP-Lounge aus dem Ehrensaal verlegt und dort den jüngsten Positionen Platz gegeben werden. Denn auf die setzen Galerien und Messeleitung: 'Wir befinden uns in einem echten Generationenwechsel', betont Anna Planas. In Galerien, Institutionen, unter Kunstschaffenden und im Publikum gehe eine neue Generation an den Start, für die in alltäglich gewordenen digitalen Wandlungen sich die Fotografie aus der Verhaftung im Repräsentationsparadigma gelöst habe. 'Fotos müssen nicht mehr abbilden', so die Kuratorin, 'sie werden als Material und Objekt wichtiger.'“ Auf die großen Entwicklungslinien des Mediums blickt Freddy Langer bei seinem Messerundgang für die FAZ: „Es knirscht auf dem Fotomarkt an etlichen Stellen. Seit die Frage nach der Haltbarkeit von Farbabzügen wie ein Damoklesschwert nicht nur über den Arbeiten der Becher-Schüler schwebt – von denen auf dieser Messe kaum welche zu sehen sind –, bereitet sich der Begriff 'Longevity' auch in der Fotoszene aus. […] Ganz vorne aber ist der Digitalbereich. Bildschirm versus Papier wird eine der Fragen der Zukunft sein, ohne dabei an die Haltbarkeit zu denken. Die Fotokunst ist auf dem Weg, im Elektronischen aufzugehen. Die Möglichkeiten sind unendlich.“

Mit der Paper Positions erfahre der (ohnehin übervolle) Wiener Messekalender eine sinnvolle Bereicherung, urteilt Werner Remm bei Artmagazine: „Die paper positions bildet den wirklich gelungenen Schlusspunkt im Messekalender Wiens und man darf hoffen, dass der im vergangenen Jahr gestartete Versuchsballon einer Kunstmesse für Papier in Zukunft eine fixe Position unter den Kunstmessen der Bundeshauptstadt einnehmen wird.“ Eine Begründung für diesen Eindruck liefert Regine Müller im Tagesspiegel: „19 Galerien stammen aus Österreich, 14 aus Deutschland. Mit den insgesamt 50 Prozent internationalen Galerien ist die Paper Positions nach den beiden Wiener Messen für zeitgenössische Kunst, der Viennacontemporary und der Spark Art Fair, deutlich internationaler aufgestellt als die anderen Verkaufsausstellungen, die im Laufe des Jahres in der österreichischen Hauptstadt stattfinden.“ Sogar den ORF-Fernsehnachrichten ist die Veranstaltung einen Bericht wert.

Einen Blick auf das Angebot der hochkarätigsten Benefiz-Auktion in Deutschland wirft Sabine Spindler für das Handelsblatt: „Man muss nicht lange rätseln, wer der Liebling der diesjährigen PIN-Auktion ist, die am 15. November zum 23. Mal zur Finanzierung von Projekten in der Pinakothek der Moderne München und im Museum Brandhorst und zur Unterstützung von Ankäufen stattfindet. Ein kleiner pinkfarbener Bär begeistert derzeit in der Auktionsvorbesichtigung in Münchens Pinakothek der Moderne. Unter dem Titel „I am jetlagged“ rekelt sich die anspielungsreiche Figur aus Paola Pivis gefeierter Bärenserie halb ermattet, halb jugendlich-kess am Boden. Zum Schätzwert von 46.000 Euro hat sie die Pariser Galerie Perrotin zur Verfügung gestellt und erinnert damit an die erfolgreichste Pinakotheken-Ausstellung 2025.“

Eine Goldene Kloschüssel als Hingucker der anstehenden New Yorker Auktionen hält Ursula Scheer in der FAZ für ein passendes Sinnbild zur aktuellen Lage: „Im Rahmen der Eröffnungsauktionen zur herbstlichen Hochsaison soll die Toilette zum Materialwert des Tages aufgerufen werden, also etwa zehn Millionen Dollar. Zahlen kann der erfolgreiche Bieter auch mit Kryptogeld, was wohl die Nouveaux riches aus der Blockchain-Welt anlocken soll […] Für Aufsehen ist also gesorgt bei der ersten 'Marquee Auction Season' von Sotheby’s im Breuer-Gebäude, während der das Auktionshaus groß auffährt, um den Aufwind im Kunstauktionsmarkt zu nutzen, an dessen Spitze 2024 Flaute herrschte. Zwischen 863,6 Millionen und 1,18 Milliarden Dollar will das Auktionshaus vom 18. bis zum 21. November in insgesamt neun Saalauktionen mit moderner und zeitgenössischer Kunst umsetzen, deutlich mehr als im Vorjahr.“ Einen detaillierten Blick auf das restliche Angebot der New Yorker Auktionen hat Sarah Douglas von Artnews geworfen.

Der neue Eigentümer von Artnet und Artsy Andrew E. Wolff gibt in einem Interview mit dem Observer Einblick in seine Pläne: „Junge, aufstrebende Sammler – die für einen gesunden und wachsenden Markt so wichtig sind – möchten Teil eines Netzwerkes ohne Zugangsbeschränkungen sein. Sie möchten Kunst entdecken und auf einem offenen und transparenten Marktplatz handeln. Diese Themen passen gut zu dem, was wir bei Beowolff Capital über Artnet und Artsy tun. Wir möchten Sammlern die Möglichkeit geben, sich in sozialen Netzwerken zu engagieren, um herauszufinden, welche Kunst ihnen gefällt, was sie für sie bedeutet, wie sie sie bewerten und wie sie sie gemeinsam mit anderen genießen können. Und wir stellen unseren Geschäftspartnern das Software-Betriebssystem zur Verfügung, mit dem ihre Kunden dies in einem sicheren und transparenten Ökosystem tun können.“ Das klingt bis dahin ganz vernünftig und positiv. Danach wird es allerdings wild: „Technologie ist von Natur aus disruptiv. Wenn sie als Kraft für das Gute eingesetzt wird, kann sie ein Katalysator für Demokratisierung sein. Sie kann den Zugang zu Waren und Dienstleistungen gleichberechtigen. Sie kann Menschen verbinden und die Globalisierung vorantreiben. Sie kann Käufer und Verkäufer von Transaktionsfriktionen und Illiquidität befreien. Sie kann aufklären, indem sie jedem Zugang zu denselben Daten und den Werkzeugen zu deren Interpretation und zur Generierung von Erkenntnissen und Meinungen verschafft. Sie kann neue Medien für menschliche Ausdrucksformen und Metaphern schaffen.“ Das erweckt den Eindruck, als hätten der Dotcom-Boom um die Jahrtausendwende, die Diskussion um Web 2.0, der NFT-Hype und die Enshittfication https://en.wikipedia.org/wiki/Enshittification des Internets nie stattgefunden. Und dann folgen Phrasen direkt aus dem Bullshit-Bingo der KI-Industrie:

„Wir schaffen ein symbiotisches kommerzielles Ökosystem, beginnend mit Artsy und Artnet, das eine neue Art von Intelligenz für den Kunstmarkt schafft, in dem sich Erkenntnisse und Transaktionen gegenseitig verstärken und die Geschwindigkeit und Kraft beider erhöhen. Wir stärken unsere sich ergänzenden, branchenführenden Unternehmen mit gemeinsamen KI-Tools, die Produkte der nächsten Generation liefern und Sammlern, Galerien und Künstlern gleichermaßen besser dienen.“

Masterworks bietet Anteile ab 20 Dollar an Kunstwerken an, ist also so etwas wie ein Kunstfonds für Alle. Wie bei vielen Kunstinvestmentangeboten könnte jedoch nicht alles Gold sein, was in den Online-Broschüren des Unternehmens glänzt, hat Zachary Small für die New York Times recherchiert: „In nur acht Jahren hat es sich zu einem der größten Käufer auf dem Kunstmarkt entwickelt. Seine Sammlung von 500 Kunstwerken hat mittlerweile einen Wert von über 1 Milliarde US-Dollar und seine Plattform hat 70.000 Investoren angezogen. 'Keine Erfahrung mit Kunstinvestitionen? Kein Problem', wirbt die Website des Unternehmens. [...] Einige Kunstmarktexperten sind jedoch der Meinung, dass das Unternehmen bei der Vermarktung von Kunstwerken zu optimistisch sein könnte, wodurch das Verlustpotenzial insbesondere für Neulinge auf dem Kunstmarkt unterschätzt wird. [...] Bis vor kurzem behauptete die Website des Unternehmens, dass fast eine Million Investoren 'mit uns ein besseres Portfolio aufbauen'. Tatsächlich handelte es sich bei dieser Zahl jedoch nicht um Investoren, sondern um Personen, die sich auf der Website von Masterworks registriert hatten und möglicherweise über eine Investition nachdachten. Auf Nachfrage ersetzte das Unternehmen den Begriff 'Investoren' durch 'Nutzer' – einer von mehreren Fällen, in denen das Unternehmen nach einer Anfrage der New York Times seine Formulierungen anpasste.“

Die blumigen Renditeprognosen fast aller Anbieter von Kunstfonds und fraktionalisierten Anteilen an Kunstwerken haben in der Regel mit der Realität wenig zu tun, und die Geschäftsmodelle haben oft eine überschaubare Lebenserwartung. Sollte die von Masterworks angegebene Mitarbeiterzahl von 230 der Wahrheit nahekommen, müsste das Unternehmen alleine jährliche Personalkosten mindestens im mittleren zweistelligen Millionenbereich haben. Bei einer Inventarbewertung von einer Milliarde Dollar, die laut Autor zudem diskussionswürdig ist, dürfte eine vernünftige Rendite für die Anteilseigner nur schwer zu erwirtschaften sein.

In Berlin tut die CDU anscheinend CDU-Dinge und klüngelt munter vor sich hin. Robert Kiesel hatte im Tagesspiegel den Stein ins Rollen gebracht: „Berlins Ex-Kultursenator Joe Chialo (CDU) soll mehrere Millionen Euro für Projekte gegen Antisemitismus auf Druck führender CDU-Fraktionsmitglieder vergeben haben. Das werfen Grünen-Abgeordnete Chialo nach einer Akteneinsicht vor. Die Freigabe der Gelder soll Ende Februar durch Chialo persönlich erfolgt sein.“ In der taz legten Hanno Fleckenstein, Erik Peter und Anselm Mathieu nach: „Andere geförderte Projekte sind dagegen selbst Expert*innen bislang nicht bekannt. Bei näherem Hinsehen offenbart sich hier ein bemerkenswerter Klüngel: Zum Teil tauchen Personen, Namen und Projekte mehrfach auf. Daneben wecken einige Empfänger den Anschein von Briefkastenfirmen – von mutmaßlich mangelnder Kompetenz im Feld Antisemitismusbekämpfung ganz zu schweigen.“ Haarsträubendes haben Daniel Böldt, Christian Latz und Anna Thewaldt bei ihren Recherchen für den Tagesspiegel zu den Empfängern der Fördergelder herausgefunden. Geschasste Kandidaten einer für die Projektauswahl zuständigen Jury lässt wiederum Robert Kiesel im Tagesspiegel zu Wort kommen. Kopfschüttelnd kommentiert Bernhard Schulz die Reaktion des Senats bei Monopol: „Das muss, wenn es denn wörtlich gemeint war, insofern verwundern, als es Regeln zur Vergabe öffentlicher Gelder seit jeher gibt und diese auch im Kulturbereich nicht erst neu geprägt werden müssen. Aber klar, im Nachgang werden offenbar erst einmal Nebelkerzen gezündet, da zeigt sich die von ihrer Biografie her mit Kulturfinanzierung bestens vertraute Wedl-Wilson ganz auf der Höhe der Politik.“ Das Ganze lässt an Infrastrukturprojekte auf Sizilien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts denken.

Ach ja: Der große Anselm Kiefer hinter dem Schreibtisch von Friedrich Merz im Kanzleramt hängt dort dank Walter Smerling, erklärt Niklas Maak in der FAZ (Paywall): „Leider, beklagt Smerling, seien auch aufgrund der negativen und falschen Vorberichterstattung in der Presse Sponsoren verunsichert worden, einige seien sogar abgesprungen. So bleibt die Präsenz der Bonner Stiftung in Berlin zunächst auf ein Winterbild im Kanzleramt beschränkt.“

Eigentlich muss man nach den ersten beiden Sätzen dieser dpa-Meldung nicht mehr weiterlesen: „Der Maler Gerhard Richter (93) wird im Ranking 'Kunstkompass' unverändert als weltweit wichtigster Künstler geführt. Seit nunmehr 22 Jahren behauptet der in Köln lebende Maler unangefochten die Spitzenposition.“ Doch das Handelsblatt zeigt im nächsten Satz, wozu modernster Hochleistungsjournalismus fähig ist: „'Dass je ein Künstler Gerhard Richter an der Spitze des Kunstkompass-Rankings einholen wird, scheint derzeit unvorstellbar', sagt die Journalistin Linde Rohr-Bongard, die das Ranking erstellt.“ Und verlinkt einen Namensteil der Erstellerin des Rankings mit dem Aktienkurs des Industriegaseherstellers, der zufällig den gleichen Namen trägt.

Hauser & Wirth hat George Nelson von Artnews zufolge Ärger mit den britischen Steuerbehörden wegen des Verkaufs eines Werks von George Condo an Russen: „Laut den Verfahren vor dem Westminster Magistrates Court werden die Galerie und das in Marylebone ansässige Kunsttransportunternehmen Artay Rauchwerger Solomons beschuldigt, Alexander Popov das 2021 entstandene Werk mit dem Titel 'Escape from Humanity' zur Verfügung gestellt zu haben. [...] In den Gerichtsunterlagen wird behauptet, dass Hauser & Wirth Popov das Kunstwerk zwischen April 2022 und Dezember 2022 zur Verfügung gestellt habe. Die britische Regierung hat es im März 2022 für illegal erklärt, Luxusgüter wie Schmuck, Kunst, Autos und Antiquitäten im Wert von über 250 £ (330 $) an Personen mit Verbindungen zu Russland zu liefern, als sie ein Exportverbot für hochwertige Güter verkündete.“

Die Kölner Galerie Philipp von Rosen hat geschlossen, melde ich bei Artmagazine.