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Kobels Kunstwoche

nicht ganz Klimt, dafür gratis: Stablediffusion, prompt: portrait of a lady with a fan facing left in the style of Gustav Klimt
nicht ganz Klimt, dafür gratis: Stablediffusion, prompt: portrait of a lady with a fan facing left in the style of Gustav Klimt
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 27 2023

Rekordmeldungen sollen es rausreißen, wenn das Umfeld eher düster aussieht. Ursula Scheer meldet für die FAZ den aufsehenerregenden Zuschlag für ein Werk Gustav Klimts bei Sotheby's : „Eine Bieterin im Saal hatte sich Gustav Klimts letztes Porträt, das 1917/18 entstandene Bildnis einer 'Dame mit Fächer', gesichert, das ihr zuvor immer wieder ein telefonisch zugeschalteter Konkurrent hatte abspenstig machen wollen. Mit Gebühren kostet Klimts Bild 85,3 Millionen Pfund (rund 99 Millionen Euro). Damit ist das Gemälde das teuerste jemals bei einer Auktion in Europa verkaufte Kunstwerk“.

Darüber hinaus sei das Ergebnis jedoch ernüchternd, ist bei Kabir Jhala vom Art Newspaper zu lesen: „Die Erfolge des heutigen Abends sind jedoch größtenteils dem Klimt zu verdanken, der für Schlagzeilen sorgte und eine mittelmäßige Auktion über Wasser hielt: Nur zwei weitere achtstellige Summen kamen auf den Auktionsblock, beide Gemälde mit Schätzungen von 8 bis 12 Millionen Pfund. [...] Mehr als jedes dritte Los heute Abend war garantiert. Kurz vor dem Klimt-Rekord gab es einen Durchhänger, bei dem mehrere Werke unter ihren Schätzungen zugeschlagen wurden, darunter ein Gemälde von Kerry James Marshall aus dem Jahr 2016 (Acryl auf PVC-Tafel).Kurz darauf fanden zwei Ölgemälde im siebenstelligen Bereich, eines von Edvard Munch und eines von Henri de Toulouse-Lautrec, keinen Käufer und trugen dazu bei, dass die Verkaufsrate mit 86 % nicht besonders hoch war.“

Auch ansonsten seien die Londoner Auktionen eher mittelprächtig verlaufen, resümiert Anne Reimers in der FAZ: Ohne den Klimt-Rekord bei Sotheby’s wäre es offensichtlicher gewesen: Bei den Londoner Sommerauktionen setzte sich die Abkühlung auf dem Auktionsmarkt fort, die schon zu Beginn des Jahres zu beobachten war – besonders im Marktsegment für Nachwuchskünstler. 'Blue Chip'-Werke sind im derzeitigen Wirtschaftsklima und bei weltweit hohen Leitzinsen schwer an Land zu ziehen, doch marktfrische Spitzenqualität setzt sich weiterhin durch. Die hohen Verkaufsraten von 86 Prozent bei Sotheby’s Abendtermin und 92 Prozent bei Christie’s sorgen allerdings für Vertrauen. Um sie zu erzielen, musste hinter den Kulissen hart gearbeitet werden. […] Christie’s hatte sein Pulver in London schon im Mai verschossen und kein Los mit Taxe im zweistelligen Millionenbereich im Angebot. Europäische Sammler dominierten das Bietgeschehen bei einer ebenso europäischen Offerte. Die Abendauktion spielte mit 61 Losen, von denen 13 durch extern finanzierte Garantien abgesichert waren, insgesamt 63,8 Millionen Pfund inklusive Aufgeld ein – signifikant weniger als die 181 Millionen Pfund, die Christie’s vergangenen Juni umgesetzt hatte. Im Juni 2021 waren es 119,3 Millionen gewesen. Bei der jetzigen Veranstaltung lag die Erwartung vorab für 67 Lose bei 56,4 bis 82,8 Millionen Pfund.“

Die für London enttäuschende Strategie von Christie's lässt sich Anny Shaw vom Art Newspaper erklären: Kunstberater Hugo „Nathan meint, dass vor allem die amerikanischen Käufer nach dem 'Gewicht der New Yorker Auktionen' im letzten Monat 'erschöpft' sind. Er fügt hinzu: 'Christie's hat alles auf New York gesetzt, sie hatten riesige Verkäufe in New York. Man könnte argumentieren, dass sie sich für London etwas hätten zurückhalten können, aber ich glaube, alle wollten sich beeilen'. Er stellt fest, dass der weltweite Anstieg der Zinssätze vor allem in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zu einem Rückgang des Marktes geführt hat. 'Die konservative defensive Strategie besteht darin, alles in die großen Auktionen in New York zu stecken und auch auf Garantien zu setzen', fügt Nathan hinzu. 'Wenn die Garantien bei den Garantiegebern landen, gibt es in der nächsten Saison viel weniger Garantiegeber, und ohne die Drittgarantiegeber haben die Auktionshäuser Schwierigkeiten, das Material zu bekommen.'“

Auf den Wettbewerb asiatischer Bieter weist Stephanie Dieckvoss im Handelsblatt hin: „Vielleicht war es die Affinität mit chinesischer Thematik, vielleicht der Wunsch, das letzte Meisterwerk Klimts zu besitzen, die Faszination an kulturübergreifender Schönheit oder die Hoffnung auf eine attraktive Geldanlage. In jedem Fall fand der Wettbewerb zwischen zwei Asiaten statt. Wie in der Gesamtauktion hielten sich die Amerikaner eher zurück. Sotheby’s bestätigte nach der Auktion, dass der Käufer ein Sammler in Hongkong ist.“ Sounds like 1990. Damals trieben japanische Käufer die Preise für französische Impressionisten erst in bis dahin ungekannte Höhen, um dann mit dem Absturz der heimischen Wirtschaft den gesamten Kunstmarkt auf Talfahrt zu schicken.

Daran, dass alles endlich sei, auch die Preissteigerungen bei den Heroen der Nachkriegskunst, gemahnt Melanie Gerlis im Art Newspaper: „Jüngere Sammler sind ein wachsender Anteil in der 1-Millionen-plus-Zone und ihre Erbschaften werden weiter fließen, aber die Frage ist, was werden sie kaufen wollen? Ein Grund dafür, Kunst überhaupt zu verkaufen, ist, dass die Kinder und Enkelkinder der Sammler anders denken als die vorangegangenen Generationen. Ein herausstechendes Beispiel aus dem letzten Art Basel- und UBS-Bericht ist, dass der Anteil der Händler an den Verkäufen von Videokunst, die lange Zeit ein hartnäckig träger Markt war, im letzten Jahr deutlich gestiegen ist - von 1 % auf 5 %. Es ist unwahrscheinlich, dass der Markt seine Vorliebe für Gemälde in absehbarer Zeit ablegen wird, aber ein Umdenken ist durchaus denkbar, da sich die Definition von Kunst immer weiter ausdehnt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass alte Meister die Spitze des Geschmacks waren.“

Das alte Versteigerungsmodell der holländischen Auktion führt Sotheby's jetzt für NFTs wieder ein, erklärt Shanti Escalante-De Mattei bei Artnews: „Doch Sotheby's kündigte Anfang dieser Woche an, dass es für sein neues Gen Art Programm, bei dem NFT-Verkäufe für generative Kunstwerke von hochkarätigen digitalen Künstlern durchgeführt werden, ein holländisches Auktionsmodell anwenden wird. Bei einer holländischen Auktion geben die Auktionatoren den höchsten Preis an, zu dem das Werk verkauft wird, und senken dann den Preis schrittweise, bis ein Käufer bietet oder der niedrigste Preis erreicht ist.“

Den Einbruch der Künstlichen Intelligenz in die Kunst vergleicht Christiane Fricke im Handelsblatt mit der Erfindung der Fotografie im Jahr 1839: „Kunst, ganz ohne Künstler: Dieser Ausruf könnte sich auch auf KI beziehen und aus dem Jahr 2023 stammen. Im Erregungspotenzial ähnelte die Erfindung der Fotografie jener der Bilder generierenden Künstlichen Intelligenz. Damals war es die realistische bildliche Darstellung, auf die Künstler nicht länger ein Monopol hatten. Heute ist es die künstlerische Kreativität selbst, die durch die KI scheinbar mühelos übernommen wird. Aber was ist dran an den damit einhergehenden Untergangsprognosen für menschengemachte Kunst? Auch hier liefert die Erfindung der Fotografie eine Indikation. 'Keine zwei Jahre, nachdem die Daguerreotypie vorgestellt worden war, können sich die Grafiker vor Aufträgen kaum retten', stellt der Sammler Hans Gummersbach auf Nachfrage klar.“ Der Artikel ist Teil einer 80-seitigen Sonderausgabe zum Thema KI, die hier als PDF heruntergeladen werden kann.

Artsy habe rund 15 Prozent seiner Belegschaft entlassen, meldet Tessa Solomon bei Artnews. Der Abgang von 35 Mitarbeitern sei laut Artsy CEO Mike Steib jedoch keineswegs auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens zurückzuführen: „Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass unser Geschäft zwar stabil ist und der Umsatz wächst, aber der allgemeine wirtschaftliche Gegenwind und die Abschwächung auf dem Kunstmarkt die Rentabilität in diesem Jahr außer Reichweite gebracht haben, was unser Geschäft und unsere Mission gefährdet hätte', schrieb er in der E-Mail.“

Artnets CEO Jacob Pabst zeigt sich in einem Interview mit dem Onlinedienst boersengeflüster ungewohnt offen für externe Investoren: „Ist die Bilanz von Artnet Ihrer Meinung nach stark genug, um dauerhaft aus eigener Kraft zu wachsen oder braucht es nicht doch einen finanzkräftigen Partner? Jacob Pabst: Artnet wächst seit 35 Jahren aus eigener Kraft und kann durchaus so weiter wachsen. Mit einem finanzkräftigen Partner, der unsere Vision für artnet und den Kunstmarkt teilt, würde es natürlich viel schneller gehen.“

Nicht nur nachhaltiger als neue Möbel seine Antiquitäten, sondern oft auch preiswerter, argumentiert Sebastian Preuß in der WELTKUNST: „Für 3000 bis 4000 Euro, manchmal auch schon für 1500 oder gar 800 Euro sind Stücke zu haben, die sich einst nur wenige leisten konnten. Nach musealen Maßstäben weisen diese Stücke womöglich den einen oder anderen Makel auf, aber sie sind voller Individualität, Charme und historischer Aura. Solche Möbel können einen das ganze Leben begleiten, und im Gegensatz zu den Pressspanprodukten von heute überdauern sie jeden Umzug.“

Die arg schwammig begründete Verschiebung der Berlin Biennale verweise auf eine grundsätzliche Frage, die sich der Kunstbetrieb stellen und beantworten müsse, glaubt Elke Buhr von Monopol: „Dieser Kunstbetrieb aber sollte wohl dringend darüber reflektieren, was er eigentlich sucht. Das Bedürfnis, diverser und globaler zu werden und neue, andere Stimmen zuzulassen, ist absolut ehrenhaft. Aber wann reagiert man auf Buzzwords, wann läuft man hinter einer Chimäre her, welchen Projektionen erliegt man vielleicht gerade? Welche Kontexte übersieht man, welches Wissen fehlt einem, bei aller Euphorie über globalen Austausch? Gerät die Balance zwischen Professionalität und Erfahrung und, man muss es wohl so nennen, Identitätspolitik ins Rutschen?“ Das gilt übrigens nicht nur für Institutionen, sondern auch für den Kunstmarkt.

Wie private Museen tatsächlich einen gesellschaftlichen Beitrag leisten können, zeigt Boris Pofalla am Beispiel des Astrup Fearnley Museet in Oslos in der WeLT: „Aus der privaten Kunstsammlung mit einem (kinderlosen) Patriarchen am Steuer wird nach und nach eine Institution, die Aufgaben eines öffentlichen, von Stadt oder Staat getragenen Museums übernimmt.“

Ein aufmerksamer Facebook-Nutzer weist auf den interessanten Nebenjob von Hans-Ulrich Obrist hin. Aus dem Fernsehen kennt man den Hinweis „Dieser Film enthält Produktplatzierungen“. Für Kunstausstellungen wäre das vielleicht auch bedenkenswert.

Das Gallery Weekend Berlin hat mit Antonia Ruder eine neue Direktorin. Die Pressemitteilung gibt es hier (Dropbox-PDF) oder gekürzt bei Artmagazine oder Monopol Ruder war zuvor schon beim Hauptsponsor BMW unter anderem für das GWB zuständig und zuletzt Kommunikatrionsleiterin der Schaubühne Berlin.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung