Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Prekäre Existenz: T.L. Busby, Painter's hall ca. 1826. Wellcome Collection. Public Domain
Prekäre Existenz: T.L. Busby, Painter's hall ca. 1826. Wellcome Collection. Public Domain
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 19 2024

Die kleine Frieze New York scheint auch in ihrer aktuellen Ausgabe kaum jemanden zu begeistern. Interessanterweise halten sich sowohl die großen Galerien mit ihren üblichen Verkaufsmeldungen auffallend zurück, als auch die üblichen Medien, die der PR der Messen mit Meldungen über einen „brisk start“ und „buyoing sales“ sekundieren. Die Tefaf New York erscheint übrigens durch die Bank in den Berichten über Satellitenmessen, so auch in Rachel Shermans Übersicht aller elf Kunstmessen der Woche für die New York Times. Ihre Berichterstattung über die Frieze-Woche in New York bündeln das Art Newspaper und Artnews in Dossiers. Vom Vorbericht aus lässt es sich auch durch die verschiedenen Texte bei Artnet navigieren. Die üblichen „beste Stände“-Artikel scheint Holland Cotter für die New York Times ad absurdum führen zu wollen: Er benennt seine 23 liebsten Stände auf der Messe. Das ist ein sattes Drittel aller teilnehmenden Galerien.

Inhaltlich war die Messe für Rhea Nayyar von Hyperallergic eine rechte Enttäuschung: „Ich fand den Rest von Level 2 ziemlich uninspirierend und bestätigte das durch die verheerende Vogelperspektive vom Stockwerk darüber. Es war wie das Gegenteil von dem, wie ein Monet-Gemälde in Clueless beschrieben wird - aus der Nähe ganz nett, aber aus der Ferne ein totales Chaos. Ebene 4 war der lohnendste Bereich der Messe, und die mittel- und südamerikanischen Galerien solide. [...] Das, was ich auf Ebene 4 gesehen habe, hat mich aufgemuntert, aber es hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen, als ich die letzten Stände auf Ebene 6 erreicht habe und dort auf auffällige Leuchtreklamen, erstaunlich langweilige Gemälde und ... nun ja, einen Haufen anderer Dinge gesehen habe, die es nie in mein Langzeitgedächtnis geschafft haben.“ Nach dem Phänomen der Messemüdigkeit „Fair Fatique“ erkundet Julie Baumgardner für Hyperallergic alternative Messeformate in New York: „Ein Jahrzehnt später haben wir eine Kulturlandschaft, die sich einerseits statisch anfühlt - eingekapselt durch den Overhead von Konternen und eingeschränkt vom Immobilienmarkt - und andererseits ebenso beweglich (oder zerbrechlich, je nachdem, wie man dazu steht) und in ständigem Wandel ist. 'Das Spiel hat sich radikal verändert. Und wenn du das nicht mitbekommst, wird es an dir vorbeigehen. Also musst du dir überlegen, wie du dich einbringen kannst', sagt Eric Firestone, der in den Hamptons ansässige, bebrillte Galerist, in dessen Loft in der Great Jones St. die zweite Ausgabe der That '70s Show stattfindet. Achtzehn weitere Galerien haben sich an der Kunstmesse beteiligt, die noch bis zum Wochenende läuft, darunter Andrew Kreps, Franklin Parrasch, Magenta Plains, Karma und Gordon Robichaux. Es gibt keine 'große Galerie', sagte Firestone.“ Randbemerkung: In New York scheint Andrew Kreps mit 13 Mitarbeitern eher als „kleine“ Galerie zu gelten. Neue Trends lassen sich Elaine Velie zufolge, ebenfalls bei Hyperallergic, am ehesten auf der NADA entdecken.: „Auf vier Etagen in einem loftartigen Gebäude in Chelsea - verbunden durch eine gefährlich steile Betontreppe - präsentiert die 10. Ausgabe der NADA eine gemischte Riege von Neulingen und Erfolgsgeschichten, die eine malerei-zentrierte Show bieten, bei der Sci-Fi, Absurdismus und Surrealismus im Mittelpunkt stehen.“

Nach neuen Möglichkeiten abseits der eingefahrenen Verbreitungswege für Kunst sucht Scott Reybeurn in London für das Art Newspaper: „In der aktuellen Wirtschaftslage gehören selbstorganisierte Gruppenausstellungen mit Werken junger Künstlerinnen und Künstler vielleicht ebenso der Vergangenheit an wie die Avantgarde. Aber in einem Kunstmarkt, der von Mega-Galerien, Mega-Sammlern und Mega-Preisen beherrscht wird, versuchen einige unternehmungslustige unabhängige Händler, die 150 Jahre alte Formel der Impressionisten neu zu interpretieren, um den Verkauf von Ausstellungen wieder mit dem gelebten Leben zu verbinden.“

Ob und wie Kunst ihren Stellenwert in der Gesellschaft durch eine Annäherung an die Luxusindustrie halten oder ausbauen kann, untersucht Farah Nayeri in der New York Times: „Künstler entwerfen Handtaschen und Accessoires für Luxusmarken. Luxusmarken bauen Museen und veranstalten Kunstausstellungen. Auktionshäuser, die seit dem 18. Jahrhundert prestigeträchtige Marktplätze für Kunst sind, verkaufen jetzt auch Taschen, Sneaker und Streetwear. Für Modemarken ist das eine Win-Win-Situation: Durch die Verbindung mit Kunst werden sie nicht mehr als rein kommerzielle Unternehmen betrachtet. Die Hoffnung ist, dass ihre High-End-Produkte mit Kunstwerken verglichen werden. Die Künstlerinnen und Künstler profitieren davon finanziell und werden einem breiteren und globalen Publikum bekannt. Doch je nach Häufigkeit und Umfang der Zusammenarbeit gibt es auch Gefahren für die Glaubwürdigkeit: Es besteht die Gefahr, dass sie als Ausverkauf für Geld wahrgenommen werden.“

Über die Produktionsbedingungen, unter denen Künstler arbeiten, möchte Simone Dede Ayivi in der taz reden: „In der Kunst verdienen sehr wenige Kolleg*innen sehr viel Geld, während die meisten am Existenzminimum leben. Dagegen etwas zu sagen hieße sich einzugestehen, dass man zur ersten Gruppe wohl nie gehören wird. In einem besorgniserregenden Interview auf dem Portal 'Nachtkritik' verwies Berlins Kultursenator Joe Chialo darauf, dass Mozart arm gestorben sei und dass 'Künstler in Afrika' ja auch nicht staatlich gefördert werden, jedoch vor 'Blechhütten' tanzen und damit auf Tiktok viral gehen. Aha. Mozart starb 1791, und Chialo ist Kultursenator von Berlin. Trotzdem waren das seine Referenzpunkte“.

Renault liquidiert seine seit 1967 zusammengetragene Kunstsammlung bei Christie's in Paris, meldet Susanne Schreiber im Handelsblatt: „Der Auktionserlös soll in eine Stiftung zur Förderung der Street Art fließen. Nicht nur, dass in Zeiten von Home-Office Firmen weniger Kunst für Büros benötigen. Die Neuausrichtung macht auch klar, dass Unterhalt und Pflege der Kunstsammlung über die Jahrzehnte zu einem beträchtlichen Kostenfaktor anwachsen. Da geht man lieber auf die Straße und fördert Kunst für alle. Das passt zu einer Automarke.“

Beim Thema Kulturgutschutz hat Deutschland wohl auch verteidigungspolitisch seine Hausaufgaben vernachlässigt, ist einem Beitrag von Rolf Brockschmidt im Tagesspiegel zu entnehmen: „Die Bundeswehr verfüge über keine Kulturgutschutz-Strukturen, wie sie viele Verbündete wie die USA, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande oder Italien hätten. 'Wir sind so nicht bündnisfähig', sagt Alexander Gatzsche, Kapitänleutnant der Reserve und einer der drei Initiatoren, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. […] Sie fordern eine Integration des Themas in die Aus- und Weiterbildung, die Aufnahme von zivilem Fachpersonal in die Armee und die Schaffung einer eigenen Kulturgutschutzeinheit, wie andere Nationen sie bereits haben.“

Eine ab nächstem Jahr geltende EU-Richtlinie geißelt Aurélie Tanaqui im Handelsblatt: „Ab 2025 dürfte jedoch die EU-Richtlinie über die Einfuhr von Kulturgütern gelten. Es ist mit dramatischen Auswirkungen auf den Kunstmarkt für außereuropäische Antiquitäten und antike Kunst zu rechnen. Um Kulturgüter, die den neuen Regeln unterliegen, einführen zu können, müssen Import- und Exportdokumente vorgelegt werden. Ohne diese wird die Einfuhr von Kulturgütern in die EU-Mitgliedstaaten unmöglich oder zumindest stark erschwert sein. Welche Kunst ist betroffen? Die EU hat diese Verordnung eingeführt, um den illegalen Handel mit Kulturgütern zu bekämpfen, indem sie deren Einfuhr in die Mitgliedstaaten kontrolliert. Das gilt für Werke der bildenden und dekorativen Kunst sowie für Sammelobjekte ohne Angabe von Datum oder Wert.“

Der Freistaat Sachsen verlangt sowohl von den Einbrechern ins Grüne Gewölbe wie vom damals zuständigen Sicherheitsdienst Schadenersatz, meldet dpa: „Es geht um knapp 76,1 Millionen Euro für die noch fehlenden sowie die Beschädigungen an den zurückgekehrten Teilen der Beute […] An die fünf rechtskräftig verurteilten jungen Männer aus dem bekannten Berliner Remmo-Clan ergingen laut Aldejohann diesbezüglich Mahnbescheide, um den Anspruch des Freistaates zu sichern. […] Eine Zivilkammer des Landgerichts Dresden beschäftigt sich mit der Klage des Freistaates gegen die Sicherheitsfirma der SKD. Darin werden gut 15 Millionen Euro Schadenersatz plus 300 000 Euro für Reparaturen an dem Museum gefordert - am 9. Juli soll das Urteil verkündet werden.“