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Anfang September hat sich zum neuen Hotspot im Kunstweltkalender entwickelt, die Auswahl ist mittlerweile so unüberschaubar, dass nicht nur das Publikum, sondern auch Medien stark auswählen müssen, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken. Das Brussels Gallery Weekend findet bestenfalls noch in lokalen Medien Berücksichtigung.
Die Wiener Kunstmessen haben eine bewegte Geschichte, die Nicole Scheyerer anlässlich der Viennacontemporary in der FAZ anreißt: „Die Viennacontemporary hat drei schwierige Jahre hinter sich, und das nicht nur wegen Covid. Zwar fand sie im Herbst 2020 als eine der wenigen Kunstmessen Europas physisch statt, aber mit kaum ausländischer Beteiligung, niedrigeren Standmieten und reduziertem Publikum. Nach diesen Verlusten trat 2021 auch noch die Konkurrenz Spark Art Fair auf den Plan, der viele Wiener Galerien den Vorrang gaben. Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine zog sich der russische Mehrheitseigentümer Dmitry Aksenov zurück, der seit 2013 viel Geld in die Viennacontemporary gesteckt hatte. Gewinn soll diese ohnehin nie erwirtschaftet haben. Laut Messemanager Huber machten Aksenovs Verlustvorträge dessen Adieu zu einem teuren Abnabelungsprozess. Die öffentliche Hand griff der Viennacontemporary mit 1,69 Millionen Euro unter die Arme. Die Höhe dieser Corona-Hilfe – mehr als für jede andere Messe in Österreich – sorgt für Diskussionen. Dieses Jahr hat die Viennacontemporary in eine bessere Standgestaltung investiert, die das Büro BWM Architekten in Form langgestreckter Kojen baute.“
Die etablierte Ost-Anbindung der Viennacontemporary hebt Katharina Rustler im Standard hervor: „Wie letztes Jahr stammt etwa die Hälfte der Teilnehmenden aus Österreich, der Rest kommt aus gut 20 Ländern, vorwiegend aus Osteuropa – dennoch nur ein Bruchteil von früheren Ausgaben. Eine starke, lokale Szene sei die Basis für eine starke internationale Messe, heißt es. Das sei das dezidierte Ziel für die Zukunft der Kunstmesse.“
Einen Grundkurs Wien gibt Hanno Hauenstein bei Monopol: „Denkt man ans Wien der 1920er-Jahre, landet man wohl zuerst bei Schiele, Kokoschka und Freud. Die Stadt ist ein Sinnbild für die kreative Energie des angehenden 20. Jahrhunderts. Das ist natürlich ein eurozentrisches, teils auch klischeebehaftetes Bild. Doch Wiens künstlerisches Licht ist deshalb nicht erloschen. Mit mehreren bedeutenden Kunsthochschulen und international ausgerichteten Museen und Galerien ist die Stadt zentraler Anziehungspunkt für junge und zeitgenössische Kunst. Das zeigt sich dieser Tage auf der Viennacontemporary (VCT), die wie letztes Jahr fast zeitgleich mit dem Kuratorinnen-Festival Curated By eröffnet.“
Das parallel eröffnete Galerienfestival Curated by steht in diesem Jahr unter dem Motto „The Neutral“ im Sinne des Philosophen Roland Barthes, das Almuth Spiegler in der Presse (Paywall) aufgreift: „Darin wird dieser Begriff positiv besetzt, als 'leidenschaftliche, inbrünstige Aktivität', die Intensitäten 'aufschäumen lässt wie Champagner'. Das lesen wir Österreicher natürlich gern. Wir sehen auber auch gern derart intelligente Galerieausstellungen“.
Mein Bericht aus Wien ist im Handelsblatt nachzulesen.
Die Frankfurter Galerieeröffnungen hat Katharina Cichosch für Monopol besucht: „Zum fünften Mal tun sich die lokalen Galerien zur Frankfurt Art Experience zusammen und bündeln ihre Expertise und ihr Können für einen Monat im Zeichen der Gegenwartskunst. Begründet wurde die Dachmarke von Tyrown Vincent als Event, der mit Rundgängen, Führungen und Expertengesprächen Kunst für alle zugänglich macht. Wie sehr die Städelschule ein Kraftzentrum für die Kunstszene der Stadt ist, kann man im Programm der Galerien ablesen: Gleich mehrere ehemaligen Städelschülerinnen und -schüler sind dieses Jahr mit Ausstellungen vertreten.“
In Köln und Düsseldorf hat sich Georg Imdahl für die FAZ umgesehen: „Es sind solche, von jungen Künstlerinnen und Künstlern betriebenen Off-Spaces, die einer Kunststadt den nötigen Nachschub an Energien liefern und nun auch den Start der rheinischen Galerien in die Herbstsaison bereichern, rund fünfzig von ihnen unter dem Rubrum 'DC Open'.“
Nach zahlreichen westlichen Galerien schickt sich die Frieze mit ihrer zweiten Ausgabe an, Seoul als neues Marktzentrum in Asien zu stärken, beobachtet Laura Storfner im Tagesspiegel (Paywall) : „Die Frage, ob Hongkong als Hub in der Region von Seoul abgelöst wird, beschäftigt die Kunstwelt nicht erst seit diesem Messeherbst. Die einen sagen, Singapur und die südkoreanische Hauptstadt liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Poleposition auf dem asiatischen Kunstmarkt. Andere sehen mit der Rückkehr der Art Basel ein Wiedererstarken Hongkongs nach Covid – trotz zunehmender Repression. Doch alle sind sich einig: Seoul vibriert. Die Stadt hat den Aufstieg verdient – dank ambitionierter Institutionen wie dem Leeum Museum und einer Galerieszene, die international mithalten kann.“
Gleich drei New Yorker Messen bespricht Barbara Kutscher für das Handelsblatt, mit ungewöhnlichem Fokus: „Während sich führende amerikanische Galerien in dieser Woche in Seoul um asiatische Sammler bemühen, möchte die 2014 in Shanghai gegründete Messe Photofairs jetzt New York erobern. Für Gründer und CEO Scott Gray ist es bereits der zweite Anlauf auf dem weltgrößten Fotomarkt USA. […] Der Fokus auf neue Medien und Videokunst zielt vor allem auf ein junges Publikum. Jung sind auch die meisten der 56 internationalen Galerien, darunter 37 aus den USA.“ Die Armory Show und die Independent 20th Centutry sind ihr lediglich Erwähnungen wert: „Nur wenige Meter entfernt eröffnet die Armory Show die New Yorker Herbstsaison mit frischer Energie. Sie feiert im nächsten Jahr ihre 30. Ausgabe. Mit 225 Ausstellern aus 35 Ländern gibt sie sich in diesem Jahr noch internationaler. Dass sie seit Juli zur Londoner Marke Frieze gehört, die dem Immobilien-Investment-Trust Vornado angeblich 24,3 Millionen Dollar zahlte, darauf deutet bisher nur der mit den Frieze-Messen vereinheitlichte Netzauftritt hin.“
Der Schwerpunkt des Berichts von Frauke Steffens für die FAZ liegt auf der Armory: „ Zurück sind die Kunstsammler aus den Sommerresidenzen auf Long Island oder Cape Cod. Sie schieben sich nun wieder durch die Hallen der ersten großen Kunstmesse der Saison statt durch Staus auf den Straßen zu den Stränden. Die Armory Show gastiert erst zum dritten Mal im Javits Center auf der Westseite Manhattans, und schon stehen wieder große Veränderungen an: Der in London beheimatete Kunstmessenausrichter Frieze hat die New Yorker Konkurrenz gekauft – für 124 Millionen Dollar von einem Investorenkonglomerat (F.A.Z. vom 15. Juli). In der Messehalle liegt die Zeitung „The Art Newspaper“ aus, die dramatisch titelt, es gebe eine „britische Invasion“. Zumindest auf personeller Ebene sieht es bisher eher nach Kontinuität aus: Die Messechefin Nicole Berry, seit 2017 im Amt, bleibt.“
Gedanken über die Zukunft der Messen im Reich des Frieze-Konzerns macht sich David Cassady bei Artnews: „In gewisser Hinsicht hat die Armory Show alles, was die Frieze New York nicht hat. Sie ist stärker gemeinschaftsorientiert und arbeitet häufig mit etablierten Institutionen der Stadt wie dem Kitchen und dem letzten großen Tennisturnier des Jahres, den US Open, zusammen, während die Frieze New York mit ihren rund 60 Galerien, die jeweils durch eine ganze Etage im Shed in Hudson Yards voneinander getrennt sind, nichts von dem New Yorker Flair hat, das selbst die besten Galerien der Stadt gerne auf ihrer Brust tragen. Vielleicht ist es dieses Gemeinschaftsgefühl, das die Frieze ansprechen wollte. Einige Händler hoffen, dass die Frieze, die auch Messen in London und Los Angeles veranstaltet, ein Segen für die Armory sein wird, da sie ihr New Yorker Wesen weiter ausbauen und die Beziehungen zu den kulturellen Einrichtungen der Stadt wie dem Kitchen und Creative Time vertiefen kann.“
Daniel Völzke kritisiert eine Folge von „Bares für Rares“, in der ein Pfleger einen „Weltempfänger“ von Isa Genzken viel zu günstig für 16.000 Euro an Händlerin Susanne Steiger verkauft hat. Der Autor hat das Werk für Monopol in einem Sotheby's-Katalog entdeckt, benennt aber nicht die Ungereimtheiten bei der Provenienz: „Offenbar hat der 'Bares für Rares'-Gast an eine Sammlung verkauft, die wiederum an Sotheby's eingeliefert hat. Schätzpreis: bis 50.000 Euro. Den seltsamen Beigeschmack kriegt der Käufer oder die Käuferin kostenfrei mitgeliefert.“ Der „Bares für Rares“-Gast hat für jeden sichtbar gegen bar an die Händlerin verkauft, wobei er sich des tatsächlichen Wertes durchaus bewusst war. Dass alle anderen Händler frühzeitig ausgestiegen sind, obwohl auch sie um den Wert wussten, erinnert an unschöne Praktiken vergangener Zeiten. Angekündigt wird das Werk als „Aus einer bedeutenden Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen“. In der Provenienz fehlt dann diese „bedeutende Privatsammlung“: „“Studio der Künstlerin; Privatsammlung, Berlin (als Geschenk vom Oberen erhalten); Vom Oberen durch den jetzigen Besitzer erworben“. Der ganze Vorgang gereicht weder dem ZDF noch Sotheby's zur Ehre.
Was passiert, wenn man Kunst der freien Wirtschaft überlässt, lässt sich am auch urbanistisch traurigen Schicksal des Tacheles in Berlin beobachten, wie Boris Pofalla in der WeLT vom 10. September vor Augen führt: „Eine kulturelle Nutzung im Altbau war von der Stadt vorgeschrieben worden, lustigerweise ist auch diese kommerziell ausgerichtet. Fotografiska bezeichnet sich zwar selbstbewusst als Museum, hat aber keine Sammlung und ist auch nicht gemeinnützig. Es ist ein 2010 in Stockholm gegründetes, international expandierendes Unternehmen aus Schweden, das mittlerweile dem Unternehmer Yoram Roth gehört, Sohn eines vor zehn Jahren verstorbenene Berliner Immobilienmagnaten [der übrigens zwei angrenzende Immobilien besitzt]. Fotografiska gibt es heute in fünf Städten. Das Geschäftsmodell hat schon insofern nichts mit dem alten Tacheles zu tun, als dass man ganz nach den Bedingungen des freien Marktes arbeitet.“ Auch Matthias Doll lässt im Tagesspiegel kein gutes Haar an der typischen Berliner Immobiliengeschichte: „Im Luxusquartier eröffnet zwei Tage später eine Filiale des kommerziellen Fotografiska-Museums, 'in jeder Etage Gastronomie', berichtet [Dokumentarfilmer Klaus] Tuschen, 'da sind die verarscht worden'. Gemeint ist der Kultursenat, dessen damaliger Chef André Schmitz bei der Räumung des Kunsthauses 2012 noch darauf verwies, die kulturelle Nachnutzung sei im Grundbuch festgeschrieben.“ Und dann wundert sich die Politik, dass das Wahlvolk ihr die Verwertung des Tempelhofer Felds verwehrt.
Anekdoten aus dem Kunstmarkt serviert die Anwältin und Sammlerin Sasa Hanten-Schmidt in ihren Buch“Spiel mit mir“, das Susanne Schreiber für das Handelsblatt gelesen hat: „Die 222 unterhaltsamen Seiten wollen kein klassischer Ratgeber sein für den Einstieg in den Kunstmarkt. Sie beleuchten aber aus persönlicher Perspektive Höhen und Tiefen eines opaken Marktes, in dem vieles von Beziehungen abhängt. Wer etwa welches Werk von einer gefragten Künstlerin erhält, entscheidet der Galerist, nicht die kaufinteressierte Kundin.“