Kobels Kunstwoche 50 2025
Eine runde Sache. Nachdem die Kunstauktionen in New York diese Saison schon zahlreiche Rekorde gebracht haben, konnte Christie's in London jetzt für ein marktbekanntes Fabergé-Ei 22,9 Millionen Pfund inklusive Aufgeld einnehmen, wie Andy Battaglia bei Artnews berichtet. Die Geschichte des Eis erzählt Richard Whiddington bei Artnet. Der Kölner Kunstversicherungsmakler Stephan Zilkens ordnet das Ergebnis für WDR Aktuell (Youtube-Video) ein.
Die Auktionsergebnisse bei Grisebach in Berlin fasst Johannes Wendland im Handelsblatt zusammen: „Nicht zuletzt dank der Sammlung Bauer konnte Grisebach einen Gesamtumsatz von 20,8 Millionen Euro erzielen, von denen allein 5,7 Millionen auf die 115 Lose der Kollektion fielen, der Grisebach einen eigenen Nachmittagstermin widmete. Spitzenlos war hier das kleine „Selbstbildnis nach halblinks“ aus dem Jahr 1906 von Paula Modersohn-Becker, eine reduzierte, intensive Öltemperaarbeit auf Papier auf Pappe, die Bauer 1942 in der Galerie Ferdinand Möller erworben hatte. Möller zählte zu den vier deutschen Kunsthändlern, die als „entartet“ verschriene Kunst eigentlich nur im Ausland verkaufen durften. Jetzt ging das Werk für den Rekordpreis von 1,3 Millionen Euro an eine europäische Privatsammlung.“
Die fulminante Abendauktion bei Ketterer in München am 5. Dezmeber habe ich für Artmagazine mitverfolgt.
Die Art Basel Miami Beach pflegt ihr Zirkus-Image, und die angereiste Presse spielt größtenteils mit. Instagram und andere Medien waren voll vom Hingucker dieser Ausgabe, einer Roboter-Performance, die Daniel Cassady für Artnews beschreibt: „Die Art Basel Miami Beach scheint die Kunst des scrollbaren Spektakels perfektioniert zu haben. In diesem Jahr sorgte die neue Digitalkunst-Sektion Zero10 für kollektives Staunen, und zwar jedes Mal, wenn einer von etwa einem halben Dutzend Roboterhunden 'abging'. Die Installation Regular Animals von Beeple (alias Mike Winkelmann) ist teils Satire, teils Dystopie, teils Slapstick-Theater. Darin wurde eine Herde Roboterhunde (oder sind es Schweine?) mit grotesk lebensechten Köpfen von Elon Musk, Mark Zuckerberg, Pablo Picasso, Andy Warhol, Jeff Bezos und Beeple selbst ausgestattet. Sie wandern umher, zucken, stoßen zusammen – und dann, in Abständen, die wahrscheinlich für maximale dramatische Spannung ausgelegt sind, kippen sie nach hinten und werfen ein gedrucktes Bild aus ihrem Hinterteil aus. [...] Wenn die Zukunft schneller kommt, als es irgendjemandem lieb ist, dann war dies eines der seltenen Kunstwerke, die es den Menschen ermöglichten, sie mit einem Lachen zu begrüßen. Manchmal muss man wirklich zusehen, wie eine Maschine kackt, um zu verstehen, wie sie die Welt verändern.“
Seinen Ausflug nach Miami nutzt Niklas Maak, um den Lesern der FAZ vom 6. Dezember den Kunstmarkt, Miami und die USA zu erklären: " Die irre Rekordpreisrally der Spekulanten und Art-Flipper scheint vorbei zu sein, aber schon nach dem ersten Messetag gab es Verkäufe in allen Segmenten: David Zwirner meldet die Weitergabe eines abstrakten Gemäldes von Gerhard Richter für 5,5 Millionen Dollar, White Cube brachte Andreas Gurskys Monumentalcollage von Harry Styles mit Fans für 1,2 Millionen an den Mann. Das ist weit weg von den Auktionsrekorden der Zehnerjahre, aber dennoch erstaunlich, und auch im unteren Segment wurde viel verkauft. Die Stimmung ist nicht euphorisch, aber erleichtert. [...] Um die Art-Basel-Messe herum ist die Miami Art Week gewachsen, ein Dschungel aus Sammlungspräsentationen und Nebenmessen, darunter die Design Miami. Man muss sie sich ein bisschen wie einen Ikea für Superreiche vorstellen. An jedem dritten Stand steht, man könne hier eine 'immersive' Erfahrung machen.“
Das anstrengende Apres Fair-Leben eines Kunstmarktreporters beschreibt Daniel Cassady aus seinem Hotelzimmer auf der Collins Avenue in Miami Beach für Artnews.
Die neue Plattform der Art Basel für Digitalkunst „Zero 10“ begrüßt Anika Meier bei Monopol: „Die NFT-Community steht Kopf. In den vergangenen Tagen wurde viel gefeiert und gestritten, vor allem auf X. Die üblichen Parolen waren zu lesen: We are so back. Onboarding the masses. We did in fact disrupt. Kicked the door in. Things will never be the same. Und dann waren da aber auch die Stimmen, die versuchten, daran zu erinnern, dass die Idee ja eigentlich eine andere war: Dezentralisierung, Demokratisierung, Transparenz, Umgehung von Gatekeepern, Direktverkäufe über Marktplätze.“
Die neue Power 100 von Art Review ist eine wunderliche Mischung aus aktivistischem Wünsch Dir Was und brutalem Machtrealismus. Mit Wolfgang Tilmans ist die erste weiße Person auf Rang 10 gelandet. Auf Platz Eins rangiert der weltberühmte Künstler Ibrahim Mahama. Silber und Bronze gehen an Sheikha Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al-Thani und Sheikha Hoor Al Qasimi. Für Marcus Woeller in der WeLT ist der Ghanaer aus historischer Perspektive eine konsequente Wahl: "Er passt damit ironischerweise perfekt in ein System, das neue Machtzentren hervorbringt – und zugleich Künstler belohnt, die ein Problembewusstsein bieten, das in Museen und Pavillons gut aussieht. Mahamas Ästhetik kritisiert jene Kräfte, die sie gleichzeitig finanzieren. Auch das: ein alter höfischer Mechanismus." Die originelle Gewichtung erklärt Birgit Rieger im Tagesspiegel: "Mahama, scharfer Kapitalismuskritiker, der häufig die Kreisläufe von Rohstoffen und Ressourcen in seiner Kunst thematisiert, schiebt das Geld, das er auf dem Kunstmarkt verdient, in Residencies oder eigenständige Kunsteinrichtungen in Ghana, die lokale Künstlerinnen und Künstler unterstützen. Dass er eigene Strukturen aufbaue, sei der Grund, warum er auf dem ersten Platz der „Power 100“ gelandet sei.". Mit der selben Begründung könnte man allerdings auch Tillmanns, Amoako Boafo oder Albert Ohlen auf den Thron heben. Und wenn man schon den Kotau vor dem Kapital macht, sollte wenigstens Andrew E. Wolff nicht fehlen, dem mit Artnet und Artsy immerhin zwei der wichtigsten Kunstplattformen gehören. Aber der kommt ja nicht vom Golf und passt daher nicht in die eigene Erzählung.
Der Zusammenschluss dreier ohnehin schwergewichtiger Player eröffnet eine neue Dimension für den Begriff Megagalerie. Pace Di Donna Schrader heißt das neue Dickschiff laut einer Pressemitteilung. Robin Pogrebin erklärt in der New York Times: „PDS soll Anfang nächsten Jahres den Betrieb aufnehmen, im Sommer 2026 seine Räumlichkeiten eröffnen (an einem noch zu bestimmenden Standort) und im kommenden Herbst eine historische Ausstellung präsentieren (deren Thema noch nicht bekannt gegeben wurde). Mit Zugang zu den Ressourcen und Standorten von Pace in Los Angeles, London, Genf, Berlin, Seoul und Tokio – sowie zu seinem Hauptsitz in New York – plant PDS, auf den Beziehungen von Pace zu Nachkriegskünstlern und Nachlässen sowie auf seiner Geschichte auf dem Markt aufzubauen.“
Auf eine langfristige Planung deutet der Erwerb eines Teils des Palazzo Forcello de Seta in Palermo durch Hauser & Wirth hin. Sollte der italienische Staat von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen, könnte die Galerie den Ausstellungsbetrieb dort im Jahr 2030 aufnehmen, schreibt George Nelson bei Artnews.
50 Minuten Interview mit Wolfram Weimer bietet ttt in der ARD-Mediathek.
Einen weiteren Wegseh-Tip aus dem Programm der ARD hat Saskia Trebing bei Monopol: Die „Doku“ mit dem leicht irreführenden Titel: „Leon Löwentraut – Genie oder Einbildung“ findet sie „geradezu verstörend“: „Ärgerlich ist aber, wie die Kritik in die Dokumentation eingebaut ist. Denn die Löwentrauts (neben Leon spielen auch seine Eltern eine prominente Rolle) bekommen ausführlich Raum, sich als outlaws und Angriffsziele eines neidischen und humorlosen Kunstbetriebs zu stilisieren. Negative Social-Media-Kommentare rollen über den Bildschirm wie in einer Doku über hate crimes. Die Ablehnung durch den etablierten Betrieb, so begründet sie auch sein mag, ist nichts weiter als ein nützliches Element der PR-Strategie, sich als Antihelden eines elitären Systems zu präsentieren, das einfach nicht gönnen kann“.
Den Abgang weiterer Fachkräfte bei Sotheby's Deutschland meldet Ursula Scheer in der FAZ.