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Viennacontemporary 2025; Foto Stefan Kobel
Viennacontemporary 2025; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 38 2025

Die Krise des Kunstmarkts in Zahlen beschreibt der neue Artnet Intelligence Report (PDF). In ihrer darin enthaltenen Analyse malt Katya Kazakina ein düsteres Bild: „Die Kunstwelt befindet sich zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2025 in einer prekären Lage. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine große Galerie schließt: Blum, Venus Over Manhattan und Kasmin sind weitere prominente Opfer des Sommers. Kleinere Galerien geben diskret auf oder verkleinern sich. Jeder Fall ist anders, aber viele beklagen dasselbe: Die Fixkosten ruinieren die Geschäfte. Die Umsätze sind rückläufig. Es macht keinen Spaß mehr. Die Primärpreise sind untragbar. Große Sammler haben aufgehört, Kunst zu kaufen, oder ihre Ausgaben deutlich reduziert. Die nächste Generation ist nicht da, um die alte Garde abzulösen. Die Kunstwelt ist aufgebläht, und es gibt keinen einfachen Weg, um die Malaise zu heilen.“ Der Musikproduzent und Kunstsammler Jeff Magid, der auf Instagram in den letzten Monaten eine enorme Reichweite erlangt hat, vermutet daraufhin in einem seiner Videos, dass so viele Kritiker und Journalisten den Kunstmarkt niederschrieben, weil sie sich von der Welt der Reichen und Schönen ausgeschlossen fühlten. Daniel Cassady unternimmt bei Artnews eine Einordnung: „Magid hat einige scharfsinnige Kommentare abgegeben, aber diese Art der vereinfachten Darstellung tappt in dieselbe Falle wie die Schlagzeilen, die er in letzter Zeit kritisiert hat. Reporter geben meist nur wieder, was ihnen Händler und Zahlen sagen; es ist die Schnelllebigkeit und Unruhe unserer aktuellen Medienlandschaft, die einen Kontextverlust verursacht – und fördert. Je lauter die Schlagzeilen und Memes werden, desto mehr übertönen sie das Offensichtliche: Wir haben das schon einmal erlebt. 2009 war ein Katastrophenjahr. Sammler verschwanden. Auktionshäuser sahen, wie Gemälde, um die einst heftig gestritten wurde, plötzlich ohne Gebote unter den Hammer kamen. Der Wert von Blue-Chip-Namen halbierte sich. Bis 2011 hatte der Markt wieder das Niveau vor dem Crash erreicht, bis 2014 hatte er es sogar übertroffen. Die Schwarzmaler von 2009 standen nur fünf Jahre später lächerlich da. Das war kein Einzelfall.“

Schlechte Laune überall? Nicht in Berlin, hat Niklas Maak für die FAZ beobachtet: „Wundersamerweise ist von der allgemeinen Kunstkaterstimmung auf der Berlin Art Week, mit der die dortige Kultursaison eröffnet, kaum etwas zu spüren. In den Hallen des Hangar 7 des ehemaligen Flughafens Tempelhof findet wie immer die Messe Positions statt, bei der 75 Galerien aus 19 Ländern vertreten sind, diesmal besonders viele aus Japan. Vor allem aber beweisen die Berliner Galerien, dass trotz High-Net-Worth-Individual-Mangels und dem rituellen Gejammer über den Niedergang von Berlin hier immer noch erstaunliche Mengen interessanter Kunst zu finden sind, gerade bei den jüngeren Galerien.“ Eine Warnung kommt jedoch von Johannes Wendland im Handelsblatt: „Die Qualität vieler Beiträge der Berlin Art Week ist überragend. Kaum zu glauben, dass dieses Kunstevent bedroht sein könnte. Doch ist im kommenden Berliner Doppelhaushalt der bisherige Landeszuschuss zur Art Week von 300.000 Euro nicht mehr enthalten. Zur Eröffnung der Art Week hat die Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson gelobt, sich darum zu kümmern. So klein der Betrag wirkt, so tiefgreifend könnten die Auswirkungen sein, wenn er ausfallen würde.“ Im Tagesspiegel kommentiert Christiane Meixner: „Berlin braucht einen neuen Impuls, die Art Week liefert ihn für vergleichsweise wenig Investment. Während dieser Tage über die Bedeutung und Anziehungskraft von Kunst zu sprechen, um ihr danach die Unterstützung zu entziehen – das wäre wirklich billig.“

Für Monopol flaniert Boris Pofalla über die Viennacontemporary: „Etwas ist anders, aber was? Die Viennacontemporary fühlt sich luftiger und angenehmer an als im letzten Jahr, sie beweist Blick für Details. Das messetypische Raster aus weißen Stellwänden ist von einer weniger vorhersehbaren Anordnung abgelöst worden, die angeblich an das Gassengewirr im ersten Bezirk der österreichischen Hauptstadt erinnern soll (Standdesign: Claudia Cavallar, Preisträgerin des Hans-Hollein-Kunstpreises für Architektur). Unter die Kunst gemischte Stationen von lokalen Restaurants, Kaffeeröstern und Eismanufakturen sollen dafür sorgen, dass man nicht vergisst, in Wien zu sein. Warum auch, die Stadt ist ein Touristenmagnet, damit kann und will man wuchern.“ Den Zustand der Messe und die Pläne der neuen Direktorin sortiert Katharina Rustler im Standard: „Letztes Jahr landete sie dann wieder an ihrem ursprünglichen Platz, in der Halle D der Messe Wien, wo sie zuletzt 2015 noch als Viennafair ausgetragen wurde. Dort bleibt man vorerst auch. Wie berichtet, ist es finanziell nicht allzu gut um die VC bestellt. Ihre Zukunft scheint gerade in Zeiten eines gebeutelten Kunstmarkts ungewiss. Ein erfrischender Auftritt der diesjährigen Ausgabe wäre bitternötig. […] Das Wort 'Kooperationen' verwendet Mirvali im Gespräch oft. Für sie als US-Amerikanerin steht es außer Frage, mit ansässigen Einrichtungen und Projekten zusammenzuarbeiten. Dies soll die Messe künftig auch charakterisieren und sorgt in einer Stadt, in der man sich gewöhnlicherweise vom Wegschauen kennt, sicherlich für frischen Wind. Bisher habe man in Wien das Potenzial einer großen internationalen Kunstmesse nicht zur Gänze ausgeschöpft, findet die neue Leiterin. Diese könne als Katalysator für das ganze kulturelle Ökosystem dienen.“ Für das Handelsblatt berichtet Nina Schedlmayer über die Messe: „Nun, einen Tag vor Eröffnung der Viennacontemporary, sitzt sie in der Halle D der Messe Wien, in jenem Bereich, der für Talks reserviert ist. Sie sprüht vor Energie, trotz eines aktuellen Arbeitspensums von täglich 15 Stunden – und schwärmt: von der luftigen Architektur der Messestände, von den Kuratoren und Kuratorinnen, die verschiedene Sektionen gestaltet haben, von der Leiterin der Tourguides, die ihr in der Wiener Albertina auffiel. Und sie scheint schon längerfristig zu denken. Die finanziellen Turbulenzen sind freilich noch nicht ausgestanden. Mirvali und Geschäftsführer Markus Huber hoffen für 2026 auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt Wien.“

Das gleichzeitig stattfindende Galerienfestival Curated by hat Boris Pofalla für Monopol besucht: „Dieses Jahr dreht es sich um die 'fragmentierte Subjektivität', die als state of mind die Nachfolge der nun schon altmodisch anmutenden Entfremdung angetreten hat. Die Kunstwelt produziert diese Zersplitterung nach Kräften: Ständig passiert etwas, und jeder und jede ist dabei, das eigene Erleben zu dokumentieren und mit anderen Subjekten zu teilen, was die Wahrnehmung gleichzeitig fragmentiert und multipliziert. […] Wir liegen in den Trümmern der Bedeutung und träumen. In den letzten Jahren wurden einem oft Identitäten und dazu passende Politiken versprochen, aber wer auf die – in Wien beheimatete – Psychoanalyse hört, der weiß, dass am Anfang schon nichts zusammenpasst. Das Ich ist nicht Herr im eigenen Hause, um es mit Freud zu sagen – und noch nicht einmal in der eigenen Galerie. Externe Kuratoren sind in allen 24 Häusern eingeladen, die Ausstellungen zu konzipieren.“

Ich war für den Tagesspiegel und Artmagazine in Wien.

In Italien gibt es ein nomadisches Galerienfestival, das Julia Stelllmann für die FAZ besucht hat: „Für 'Panorama' reisen die Galerien bewusst nicht in Metropolen, sondern bespielen im jährlichen Wechsel einen anderen kleineren Ort mit besonderer Geschichte in einer der Regionen Italiens. Nach Procida, Monopoli, L’Aquila und Monferrato geht es dieses Mal nach Pozzuoli in Kampanien. Bei bestem Wetter und mit Blick auf den Golf startete 'Panorama Pozzuoli' am Mittwoch. Am ersten Abend konzentrierte sich das Programm auf Neapel und neue Galerieausstellungen dort. Unter den 47 in Pozzuoli ausgestellten Künstlern finden sich zahlreiche Italiener wie Mario Merz, Jannis Kounellis oder Marino Marini – Einheimische kommen auf dem Kunstmarkt des Bel paese traditionell bestens an.“

Mit Tokyo Gendai hat übrigens noch eine Messe stattgefunden, von der Artnews berichtet: „Mehr als ein Drittel der teilnehmenden Galerien sind in diesem Jahr Neulinge. Magnus Renfrew, Global Director des Veranstalters Art Assembly, sprach auf einer Pressekonferenz vor der Messe über die Fluktuation. 'Ich denke, dass Galerien sich aus einer Vielzahl von Gründen für die Teilnahme an Messen entscheiden, und ich glaube, dass einige Galerien kurzfristige pragmatische Entscheidungen treffen müssen', sagte Renfrew.“

Christie's schließt seine Abteilung für digitale Kunst, meldet zuerst Matt Medved bei dem Magazin für digitale Kultur Now Media: „Christie's schließt laut Quellen, die mit der Situation vertraut sind, seine Abteilung für digitale Kunst. 'Christie's hat eine strategische Entscheidung getroffen, den Verkauf digitaler Kunst neu zu gestalten. Das Unternehmen wird weiterhin digitale Kunst innerhalb der größeren Kategorie 'Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts' verkaufen', erklärt ein Sprecher von Christie's“. Über den Schritt von Christie's und die Zukunft von NFTs hat Britta Bürger von Deutschlandfunk Kultur mit mir gesprochen (Audio).

An die Flüchtigkeit alles Digitalen erinnert Ursula Scheer in ihrem Kommentar für die FAZ: „Geplatzt ist die von wenig kulturaffinen Kryptomilliardären aufgepustete Spekulationsblase auch, weil tokenisierte Digitalwerke mitnichten auf ewig in der Blockchain gesichert sind – sondern lediglich deren Metadaten. Die Werke selbst liegen auf anderen dezentralen Netzwerken, deren dauerhafter Bestand fragwürdig erscheint. Originäre Verkaufsplattformen wie Known-Origin oder Makers-Place sind 2024 in die Knie gegangen.“ Fest an die Zukunft der NFTs, aber nicht an die des traditionellen Kunstmarkts glaubt Annika von Taube bei Monopol (Paywall): „Lustigerweise winkt Hilfe ausgerechnet aus jenem Bereich, den der Markt immer mit größtem Misstrauen beäugte: Digitale Kunst, erst seit Erfindung des NFTs wirklich verkäuflich und dank des mit dieser Erfindung einhergehenden Spekulationshypes gleich zu Anfang mit der Erkenntnis geimpft, dass ein Fokus auf Preisrekorde keine langfristig tragbare Strategie darstellt, ist aktuell dabei, sich einen Markt zu schaffen, auf dem sich Verkäufe mehr an Teilhabe festmachen denn an Preisen. Als Vorteil erweist sich dabei, dass im traditionellen Markt etablierte Formate für digitale Kunst oft nicht funktionieren.“

Sotheby's setze konsequent auf Luxusgüter, schreibt George Nelson bei Artnews: „Der Masterplan des Milliardärs Patrick Drahi, Sotheby's in ein Luxus-Einzelhandelsimperium zu verwandeln, wird im Dezember einen Schub erhalten, wenn das Auktionshaus die Abu Dhabi Collectors' Week veranstaltet, seine erste Reihe von Luxusverkäufen im Emirat. Formel-1-Rennwagen, der schnellste Aston Martin aller Zeiten, riesige Diamanten, seltene Rolex-Uhren und viele andere teure Glanzstücke werden vom 3. bis 5. Dezember unter den Hammer kommen.“

Bei dem ausgeweiteten Jahresverlust, den Robert Smith und Josh Spero in der Financial Times (Paywall) melden, braucht das Unternehmen auch dringend neue Einnahmequellen: „Der jährliche Verlust vor Steuern von Sotheby's hat sich 2024 auf 248 Millionen Dollar mehr als verdoppelt, da das Auktionshaus des Milliardärs Patrick Drahi weiterhin mit einer mehrjährigen Flaute auf dem Kunstmarkt zu kämpfen hatte. Sotheby's, das der französisch-israelische Telekommunikationsmogul 2019 durch einen Leveraged Buyout erworben hatte, rutschte laut den im Juli in Luxemburg eingereichten Abschlüssen der Muttergesellschaft des globalen Konzerns tiefer in die roten Zahlen. Der Jahresverlust vor Steuern belief sich 2023 auf 106 Millionen Dollar.“