Kobels
Kunstwoche

Kobels Kunstwoche

Kommentierte Presseschau zum Kunstmarkt von Stefan Kobel. Jede Woche neu. Newsletter abonnieren

Damals und heute; Foto Stefan Kobel
Damals und heute; Foto Stefan Kobel
Portraitfoto von Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 1 2026

Das normale Messegeschäft wurde im zweiten Halbjahr von den dominanten Konzernen überstrahlt, die vor allem mit ihrer Expansion in die arabische Welt Schlagzeilen machten.

Das aktuell praktizierte Modell der Kunstmesse scheine vielen Marktteilnehmern nicht nachhaltig, hat eine Befragung unter Galeristen herausgefunden, die Karen K. Ho Mitte August für Artnews zusammenfasst: „First Thursday, ein in London ansässiges Unternehmen für Vertriebsinformationen, befragte für seinen ersten Kunstmessebericht 56 kommerzielle Galerien in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika. Einige der Interviews fanden direkt auf den Messen Frieze, Art Basel, Independent, TEFAF und Art SG statt. Der Bericht ergab, dass fast die Hälfte der befragten Galerien (46 Prozent) über 30.000 £ (40.000 $) für die Teilnahme an einer einzigen Messe ausgaben und fast jede fünfte Galerie (24 Prozent) zwischen 50.000 £ und 100.000 £. Dies korreliert mit den 83 Prozent der Befragten, die hohe Teilnahmekosten als größte Herausforderung für die Ausstellung auf Messen nannten, gefolgt von 77 Prozent der Befragten, die die Unsicherheit der Verkäufe als zweitgrößte Herausforderung angaben. 'Das Modell erscheint derzeit nicht nachhaltig', sagte ein Galerist.“ Mit der Erstellung der Studie war anscheinend Captain Obvious beauftragt.

Das Engagement der Art Basel in Katar erregt auch außerhalb der Kunstwelt Aufmerksamkeit. Für Politico untersucht Carlo Martuscelli die Rolle der Messe in der Strategie des Emirats: „[Der Künstler und Wissenschaftler Gregory] Sholette sagte, dass die Organisatoren in Basel berücksichtigen müssten, wie die Ausrichtung der Messe die Soft Power Katars stärken würde. 'Das sollte nicht einfach so gemacht werden, um Teil der politischen Sphäre Katars zu werden, denn genau das würde Katar und anderen Ländern in dieser Region bei ihrer PR-Arbeit helfen.' In einem Interview mit POLITICO beantwortete Noah Horowitz, CEO der Art Basel, Fragen zur Menschenrechtslage in Katar und zur Rolle, die die Art Basel dabei spielen könnte, dem Land zu internationalem Einfluss zu verhelfen. 'Das geht uns nicht an', sagte Horowitz. 'Sie haben sich seit einiger Zeit sehr direkt und sinnvoll in ihrer Rolle als Kulturförderer engagiert. Ich meine, ihr kulturelles Engagement ist bekannt, tiefgreifend und ziemlich visionär.'“ Die Argumentation der Fifa seinerzeit war ähnlich.

Erleichterung in New York: Nach übereinstimmenden Berichten auch der ernstzunehmenden Presse scheint die Armory Anfang September gut gelaufen zu sein. Elisa Carollo berichtet im Observer: „Amerikanische Sammler scheinen den Back-to-School-Spirit dieses Jahr ernst genommen zu haben, denn mehrere Händler berichten von einem lebhaften und erfolgreichen ersten Tag auf der Armory Show. Die New Yorker Messe – eine der etabliertesten und traditionsreichsten der Stadt – wurde gestern, am 4. September, im Javits Center eröffnet und übertraf schnell die Erwartungen in allen Preisklassen. Die Händler sind nun vorsichtig optimistisch, dass diese Saison zumindest für den US-Markt den Beginn einer gesünderen Phase markieren könnte.“

Die kleine Messe Art-o-Rama in Marseille hat Sarah Moroz für den Observer besucht: „Die DS Galerie, ein Pariser Raum im Marais, nahm zum vierten Mal teil. Der Vertreter der Galerie, Ulysse Feuvrier, sagte, Marseille sei 'ein Ökosystem, das immer mehr wächst', doch die Größe der Messe sei überschaubar. 'Das Format ist nicht überladen, sodass man mehr Zeit hat, sich alles anzusehen und sich auszutauschen ... Es ist eine andere Art, das Jahr zu beginnen als die Frieze Seoul.'“

Für Monopol flaniert Boris Pofalla über die Viennacontemporary: „Etwas ist anders, aber was? Die Viennacontemporary fühlt sich luftiger und angenehmer an als im letzten Jahr, sie beweist Blick für Details. Das messetypische Raster aus weißen Stellwänden ist von einer weniger vorhersehbaren Anordnung abgelöst worden, die angeblich an das Gassengewirr im ersten Bezirk der österreichischen Hauptstadt erinnern soll (Standdesign: Claudia Cavallar, Preisträgerin des Hans-Hollein-Kunstpreises für Architektur). Unter die Kunst gemischte Stationen von lokalen Restaurants, Kaffeeröstern und Eismanufakturen sollen dafür sorgen, dass man nicht vergisst, in Wien zu sein. Warum auch, die Stadt ist ein Touristenmagnet, damit kann und will man wuchern.“ Den Zustand der Messe und die Pläne der neuen Direktorin sortiert Katharina Rustler im Standard: „Letztes Jahr landete sie dann wieder an ihrem ursprünglichen Platz, in der Halle D der Messe Wien, wo sie zuletzt 2015 noch als Viennafair ausgetragen wurde. Dort bleibt man vorerst auch. Wie berichtet, ist es finanziell nicht allzu gut um die VC bestellt. Ihre Zukunft scheint gerade in Zeiten eines gebeutelten Kunstmarkts ungewiss.“ Schlechte Nachrichten übermittelt Olga Kronsteiner im Standard (Stand Mitte Dezember).

Sie tut es schon wieder: Die Art Cologne wagt einen zweiten Anlauf auf Mallorca. Nach meiner Erstmeldung bei Monopol und später bei Artmagazine, berichtet auch Eileen Kinsella für Artnet: „Die Nachricht von der Erweiterung kommt etwas überraschend, ist aber dennoch ein Lichtblick, da zahlreiche andere große Kunstmessen ihre Eigentumsverhältnisse konsolidiert und in einigen Fällen geplante Veranstaltungen gekürzt haben. Die neue Veranstaltung mit dem offiziellen Titel „Art Cologne Palma Mallorca” findet im Hotel und Kongresszentrum Palau de Congresses in der Bucht von Palma statt.“

Ein positives Bild der Contemporary Istanbul zeichnet Payal Uttam im Art Newspaper (evtl. Paywall): „Sammler aus ganz Europa, den USA und der Türkei versammelten sich am Dienstag zur Eröffnung der Contemporary Istanbul (CI, bis zum 28. September) im opulenten Tersane Istanbul-Komplex – einer restaurierten osmanischen Werft mit Blick auf das Goldene Horn. Anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums versammelte die Messe 51 Galerien aus 16 Ländern. Die diesjährige Ausgabe fiel mit der Istanbul Biennale zusammen, die im Vergleich zum Vorjahr eine größere Zahl von Sammlern und Museumsgruppen anzog. Die Messe zeigte eine höhere Qualität als ihre früheren Ausgaben, mit Werken führender türkischer Künstler wie Nil Yalter, Güneş Terkol und Azade Köker.“ Der Messebesitzer hält die Lizenz für die türkische Ausgabe der Publikation. Das wird im Artikel auch benannt. Auf die Rahmenbedingungen, unter denen die CI stattfindet, weist Rachel Kubrick bei Ocula hin.

Am Persischen Golf ist ein Verdrängungswettbewerb der Kunstmessen ausgebrochen. Nachdem sich zunächst die Art Dubai mit einem neuen Leitungsteam internationaler aufgestellt hatte, gab die Art Basel im Mai die Gründung einer neuen Messe in Katar bekannt. Geplant wurde zunächst mit rund 50 Galerien. Tatsächlich nehmen an der Premiere der Art Basel Qatar knapp 90 Aussteller teil. Jetzt überrascht die Frieze mit der Übernahme der Abu Dhabi Art, wie ich bei Mitte Oktober Artmagazine melde. Pikant an der Golf-Rally ist die Tatsche, dass die staatliche Qatar Investment selbst an der Frieze beteiligt ist, wie Maximilíano Durón bei Artnews meldet. Damit macht der Golfstaat indirekt der eigenen Veranstaltung Konkurrenz. Neben Katar, Dubai und Abu Dhabi versucht auch noch Saudi-Arabien mit der Art Week Riyadh, internationale Galerien auf die arabische Halbinsel zu locken. Das kann nicht für alle gutgehen. Gewinnen wird möglicherweise, wer mit dem meisten Geld um sich wirft.

Auf der Frieze Masters hat Vivienne Chow für Artnet (evtl. Paywall) einen Trend ausgemacht: „Eine neue Generation junger Händler und Sammler haucht alter Kunst neues Leben ein und trotzt damit Markttrends und den Erwartungen ihrer Generation. Vor dem Hintergrund eines sich abkühlenden Marktes für zeitgenössische Kunst finden Werke aus der Vorkriegszeit und historische Werke ein begeistertes neues Publikum. Viele von ihnen sind unter 40, dank erschwinglicher Preise, innovativer Präsentationen und Crossover-Programmen, die historische Objekte neben modernen stellen.“ Gerade für junge Galerien sei eine Teilnahme an der Frieze London eine Herausforderung, hat Kate Brown für Artnet (evtl. Paywall) erfahren: „Fünf Händler gaben an, dass die Subventionen in diesem Jahr geringer ausgefallen seien. Frieze erklärte, dass es die Preise für Focus von 313 £ (419 $) pro Quadratmeter im Jahr 2024 auf 276 £ (370 $) in diesem Jahr gesenkt habe, doch ein Händler berichtete etwas anderes. Laut einer E-Mail, die ich gesehen habe, sind die Preise tatsächlich gestiegen, und zwar von 276 £ pro Quadratmeter auf 310 £ pro Quadratmeter. (Frieze reagierte nicht sofort auf eine Anfrage nach einer Stellungnahme.)“

Das Reich des Frieze-Erwerbers Ari Emanuel wird derweil immer größer. Eine Vorstellung von Dimension und Ausrichtung des Konzerns vermittelt ein Bericht von Alex Werpin für den Hollywood Reporter: „Ari Emanuel hat offiziell seine neue Holdinggesellschaft gegründet, die viele der Vermögenswerte beherbergen wird, die zuvor Teil der Endeavor Group Holdings waren. Das neue Unternehmen heißt MARI und wird eine Reihe bedeutender Tennisturniere beherbergen, darunter die Miami Open presented by Itaú und die Mutua Madrid Open sowie die Mubadala Abu Dhabi Open, die Mubadala Citi DC Open, die SP Open und eine Reihe weiterer Tennis-Ausstellungsturniere. Dazu gehören auch Frieze, die Kunstmesse, deren Kauf Emanuel Anfang des Jahres vereinbart hatte, sowie eine Mehrheitsbeteiligung an Barrett-Jackson, dem Automobilauktionshaus und Lifestyle-Marke. Die Transaktionen wurden am Mittwoch in Verbindung mit der Gründung von MARI abgeschlossen.“

Die Art Basel Paris drohe nicht nur die Frieze London zu überflügeln, sondern sogar die Muttermesse selbst, vermutet Alexandra Wach im Tagesspiegel (Paywall): „Laut Galerist Thaddaeus Ropac waren alle großen amerikanischen Sammler da. Das könnte daran liegen, dass sich die Pariser Ausgabe der Art Basel direkt an die Frieze in London anschließt und längst zur internationalsten Messe weltweit entwickelt hat. Denn Miami, Basel und Hongkong haben einen zunehmend stärkeren regionalen Fokus. Sollte diese Entwicklung weitergehen, dürfte sich die Muttermesse selbst kannibalisieren. Das könnte dazu führen, dass die Galerien ihre besten Werke nicht mehr für die Schweiz aufheben.“

Noch während der Laufzeit der Messe hat die Art Basel den Nachfolger des scheidenden ABP-Direktors Clément Delépine bekanntgegeben. Mit Karim Crippa ist es ein Veteran der Messegesellschaft; er leitete zuvor die Kommunikationsabteilung der Art Basel.

Die Artissima Anfang November in Turin hat Georg Imdahl von der FAZ offensichtlich gefallen: „Mit rund 170 Ausstellern präsentiert sich die Artissima mit einem seriösen, verlässlichen Angebot von Malerei, Skulptur und Installation. Fassi möchte die Zahl künftig noch etwas eindampfen. Goutiert wird die Messe von manchen Ausstellern, wie in Gesprächen mit ihnen zu hören ist, als willkommene Möglichkeit, „etwas auszuprobieren“ – soll heißen: Die Teilnahme kostet nicht so viel wie bei den Branchenführern. Punkten kann die Artissima auch mit der drastisch gesenkten Mehrwertsteuer auf Kunstwerke. Zuvor mit 22 Prozent das teuerste Land in Europa, lockt Italien seit diesem Sommer mit jetzt fünf Prozent und damit dem niedrigsten Wert.“

Eine Liste der Galerien, die nicht (mehr) an der Art Basel Miami Beach teilnehmen, haben Sarah Douglas und Daniel Cassady für Artnews zusammengestellt. Wie gut, dass nicht alle englischsprachigen Kunstpublikationen Medienpartner der Art Basel sind!

Aufbruchstimmung beschreibt Georg Imdahl bei seinem Besuch der Art Cologne für die FAZ: „Von einem 'Köln-Effekt' ist mit einem Mal die Rede, der erstaunlicherweise nicht etwa aufs Gemüt drückt, sondern als Stimmungsbooster für die Art Cologne verstanden wissen will. Solche Schubumkehr in Richtung positive Energie hat man in Köln lange nicht erlebt. Entfacht wird diese von allerlei Off-Spaces und neueren Galerien in der Stadt.“ Den Standort ordnet Michael Kohler im Kölner Stadt-Anzeiger vom 7. November ein: „Vielleicht belebt die vor zwei Wochen beendete Art Basel Paris das Geschäft der Kölner Konkurrenz, wie einige Beobachter spekulieren. Vielleicht sind die Sammler die zuletzt in Endlosschleife gesendeten schlechten Nachrichten vom internationalen Kunstmarkt auch einfach leid. Anders als die diversen Art Basels ist die Art Cologne eine Kunstmesse für den armen Reichen – für den zähen Mittelstand unter den Sammlern. Trotzdem ist es für den einstigen Marktführer psychologisch wichtig, dass die Händler auch Millionenwerte nach Köln bringen. Auf Thaddaeus Ropac ist in dieser Hinsicht stets Verlass.“

Die Art Basel Miami Beach Anfang Dezember pflegt ihr Zirkus-Image, und die angereiste Presse spielt größtenteils mit. Instagram und andere Medien waren voll vom Hingucker dieser Ausgabe, einer Roboter-Performance, die Daniel Cassady für Artnews beschreibt: „Die Art Basel Miami Beach scheint die Kunst des scrollbaren Spektakels perfektioniert zu haben. In diesem Jahr sorgte die neue Digitalkunst-Sektion Zero10 für kollektives Staunen, und zwar jedes Mal, wenn einer von etwa einem halben Dutzend Roboterhunden 'abging'. Die Installation Regular Animals von Beeple (alias Mike Winkelmann) ist teils Satire, teils Dystopie, teils Slapstick-Theater. Darin wurde eine Herde Roboterhunde (oder sind es Schweine?) mit grotesk lebensechten Köpfen von Elon Musk, Mark Zuckerberg, Pablo Picasso, Andy Warhol, Jeff Bezos und Beeple selbst ausgestattet. Sie wandern umher, zucken, stoßen zusammen – und dann, in Abständen, die wahrscheinlich für maximale dramatische Spannung ausgelegt sind, kippen sie nach hinten und werfen ein gedrucktes Bild aus ihrem Hinterteil aus. [...] Wenn die Zukunft schneller kommt, als es irgendjemandem lieb ist, dann war dies eines der seltenen Kunstwerke, die es den Menschen ermöglichten, sie mit einem Lachen zu begrüßen. Manchmal muss man wirklich zusehen, wie eine Maschine kackt, um zu verstehen, wie sie die Welt verändern.“

Die Art Antwerp wird den Ausführungen Julia Stellmanns in der FAZ (Paywall) zufolge regionaler und internationaler zugleich: „Internationale Aussteller strebten [2021] damals wegen des pandemiebedingt leeren Messekalenders auf die wenigen abgehaltenen Veranstaltungen. Bei vielen Galerien, auch aus Deutschland, blieben die Verkäufe jedoch mager, sodass die Messe mit jeder weiteren Ausgabe an Internationalität einbüßte. Inzwischen ist die Art Antwerp eine echte Regionalmesse, auf der vor allem figurative Malerei aus Belgien feilgeboten wird – und das offenbar mit Erfolg. [...] Mit 79 Galerien aus elf Ländern hat sich die Anzahl der Aussteller auf der Art Antwerp gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht. 43 Prozent kommen aus dem Inland, rund ein Viertel aus den Niederlanden. Deutlich stärker geworden ist der Zuspruch aus Frankreich“. Letztes Jahr lag der Anteil belgischer Aussteller übrigens noch über 50 Prozent. Ich war für das Handelsblatt und Artmagazine in Antwerpen.