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Kommentierte Presseschau zum
Kunstmarkt
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Zusammenhang oder Zufall? Nach Tim Blum schließt auch der Sammler Adam Lindemann seine New Yorker Galerie Venus over Manhattan. Bei Artnet (evtl. Paywall) erinnert er sich an eine aufregende Zeit: „Wir hatten ein paar coole Messen in Hongkong, Miami, San Francisco, Los Angeles und London, aber willst du mal die Wahrheit über Messekomitees hören? Die verlangen von dir, dass du auf alle Viere gehst, mit dem Schwanz wedelst und um Vergebung bittest. Dann setzen sie dich gnadenlos auf die Warteliste. Als Sammler eine Galerie zu eröffnen, ist echt ein guter Weg, es sich mit beiden Seiten zu verscherzen. Händler misstrauen dir, und die meisten Sammler verstehen nicht, was du vorhast, also rümpfen sie missbilligend die Nase – oder schlimmer noch, sie nehmen dir übel, dass du die Seiten gewechselt hast. [...] Das war damals – und jetzt ist dieses Kapitel abgeschlossen. Es wird keine Umorientierung hin zur Beratung oder zum privaten Handel geben. Ich kehre zurück zu Luftküssen, Händeschütteln, fist bumps, Umarmungen, Kopfnicken, Augenzwinkern, Winken, breitem Lächeln, Daumen hoch und guter Laune. Ich freue mich darauf, dich auf der nächsten Kunstmesse zu sehen!“
Besorgniserregend sind die Einsichten, die Tim Blum im Gespräch mit Zachary Small für die New York Times (evtl. Paywall) vermittelt: „Die Pandemie hat die Gewohnheiten von Sammlern durcheinandergebracht und einen Spekulationsboom ausgelöst, der letztendlich eine ganze junge Käufer-Generation verbrannt hat. Blum sagte, dass seine Kundschaft immer kleiner wurde. Er hat die Anzahl der jährlichen Ausstellungen reduziert, weil weniger Leute kamen, um sie zu sehen, aber er hat trotzdem weiter über 12 Millionen Dollar für den Betrieb seines Geschäfts gezahlt. 'Wir hatten uns mitschuldig gemacht, den Kunstmarkt in dieser nicht nachhaltigen Größenordnung aufgebaut zu haben', erkannte Blum. 'Es war so, als hätte man ein großes Containerschiff und würde versuchen, es im Panamakanal zu wenden.' Als die Galerie immer schwieriger zu führen war, wurde auch der Wettbewerb in Los Angeles härter.“
Wer sich dafür interessiert, wie Kunst und Geld zusammenhängen und welche Rolle Zinsen für den Kunstmarkt spielen, sollte unbedingt diese Abhandlung von Janelle Zara lesen, den die freie Journalistin in ihrem Blog What are we looking at als Reaktion auf die Schließungen der Galerien von Tim Blum und Adam Lindemann veröffentlicht hat: „Das ist die Ästhetik der finanziellen Optimierung, die entsteht, wenn man Kunst nur noch als Geld wert sieht. (Ich habe auch versucht, 'stillen Luxus' zu einem Trend zu machen.) Um den kommerziellen Weg des geringsten Widerstands zu gehen, gehen sowohl 'stiller Luxus' als auch 'reibungslose Malerei' keine künstlerischen Risiken ein und stellen keine Herausforderung für die bestehende Weltanschauung des Betrachters dar. Das widerspricht dem Zweck der Kunst – Kunst ohne Spannung ist nur Dekoration –, aber es ist ideal für Sammler, deren reibungsloser Lebensstil sie ein wenig weich gemacht hat. Wahrscheinlich auch ein wenig dumm. Während das Ziel von Kunstinvestitionen früher darin bestand, die Praxis des Künstlers zu fördern, geht es heute darum, den größtmöglichen Gewinn zu erzielen und dabei das Leben aus der Kunst herauszupressen. All dies ist das Ergebnis eines sich selbst verstärkenden Kreislaufs: Kunst, in die niemand Mühe investiert hat, für Betrachter, die sich keine Mühe geben, sie anzuschauen.“ Inhaber eines Venmo-Accounts können der Autoren hier ihre Anerkennung in Geld ausdrücken.
Bestimmt nichts mit Geld (i.e. Steuern) hat der Umzug des Galeristenehepaars Ursula Wirth-Hauser und Iwan Wirth von London in die Schweiz zu tun, den Josh Spiro in der Financial Times (Paywall) meldet: „Hauser & Wirth hat sich nicht dazu geäußert, ob es steuerliche Gründe für den Umzug gibt, aber gesagt: 'Iwan und Manuela Wirth sind Bürger und Einwohner der Schweiz, wo Hauser & Wirth gegründet wurde und immer noch seinen Hauptsitz hat. Sie verbringen jetzt mehr Zeit in der Schweiz, weil sie dort an neuen Projekten arbeiten und gleichzeitig andere Projekte in den USA und Großbritannien betreuen.'“
Aus der Historie von Artnet, die eng mit der Entwicklung des Kunstmarkts der letzten Jahrzehnte verwoben sei, ergebe sich nicht zwangsläufig ein Erfolg für die Zukunft des Unternehmens nach seiner Übernahme durch einen Investor, warnt Melanie Gerlis im Art Newspaper (evtl. Paywall): „Der lange Weg von Artnet zur Privatisierung hatte genauso viel mit den Leuten zu tun wie mit dem Geschäftsmodell, aber die Wahrheit ist, dass selbst die Datenbank, das Juwel in der Krone, auf diesem Markt nicht mehr so überzeugend ist. Zum einen kann man einzelne Auktionspreise über Google finden, und wahrscheinlich wird KI bald in der Lage sein, diese zu einer scheinbar überzeugenden Investitionsstory zusammenzufügen. Unterdessen verblasst der seit einem Vierteljahrhundert bestehende Mythos von Kunst als Investition. Marktdisruption meint nicht mehr nur, Kunstwerke mit Preisschildern zu versehen. Es geht darum, die Millionen von NextGen-Enthusiasten in Käufer oder zumindest in Konsumenten zu verwandeln, und zwar auf eine Weise, die die Künstler irgendwie am Leben hält. Die Informationen sind kostenlos. Die Monetarisierung von Kunst erfordert heute mehr Fantasie.“
Die Berufung von Wael Shawky zum künstlerischen Leiter der Art Basel Qatar versucht Kate Brown für Artnet (evtl. Paywall) einzuordnen: „Die Ernennung eines Künstlers zum Co-Leiter einer Kunstmesse mag ungewöhnlich erscheinen, aber Shawky, der mit Lisson, Talbot Rice Gallery, Lia Rumma und Sfier-Smeler [gemeint ist wahrscheinlich Sfeir-Semler] zusammenarbeitet, ist bereits in die institutionelle Programmgestaltung in Katar eingebunden. Im November letzten Jahres wurde der Künstler zum künstlerischen Leiter des Kreativzentrums Fire Station: Artist in Residence der Qatar Museums ernannt, wo er die Förderung von Nachwuchskünstlern aus Katar und der Region betreut und ein Bildungsprogramm aufbauen will. Andere Art Basel-Messen wurden in der Regel von Galeristen geleitet, einzelne Sektoren von Kuratoren – Shawkys institutionelle Erfahrung und seine engen Verbindungen zur Region machen ihn zu einem idealen Partner für de Bellis.“ Auf Anhieb fallen mir allerdings nicht so viele Art Basel-Direktoren ein, der zuvor Galerist waren. Unklar ist auch, warum dieser Text, dessen Nachrichtenwert auf einer Pressemitteilung beruht, hinter die Bezahlschranke gepackt wurde.
Monopol fasst diese Pressemitteilung zusammen: „Die Messe unterscheidet sich vom klassischen Standmodell anderer Kunstmessen: Stattdessen liegt der Fokus auf einer kuratierten Ausstellung mit Einzelpräsentationen von Galerien, die einem gemeinsamen thematischen Rahmen folgen. Ziel ist es, eine vertiefte Auseinandersetzung mit künstlerischen Positionen aus dem Nahen Osten, Nordafrika, Südasien und darüber hinaus zu ermöglichen.“
Mit der Zero Art Fair in New York stellt Brian Boucher bei Artnet eine Kunstmesse vor, auf der Sammler Kunst gratis unter Umständen erwerben können: „So läuft's ab: Es gibt eine Preisliste, und Besucher können Werke direkt kaufen. Sie können sich aber auch dafür entscheiden, ein Werk kostenlos zu bekommen. Wenn später jemand kaufen will, hat derjenige, der es umsonst bekommen hat, das Vorkaufsrecht: Er kann es kaufen und behalten. Diejenigen, die ein Werk kostenlos erwerben, müssen ein paar Bedingungen akzeptieren, zum Beispiel, dass ihr Name in einem öffentlichen Register erscheint und dass sie bereit sind, das Werk für Ausstellungen zu verleihen. Wenn sich nach fünf Jahren kein anderer Interessent meldet, können sie das Werk behalten, ganz ohne Kosten.“ Die Premiere letztes Jahr war den Veranstaltern zufolge ein voller Erfolg: „Letztes Jahr haben die Organisatoren in einer Pressemitteilung mitgeteilt, dass sie 178 von 190 Kunstwerken platziert haben, „was einem Wert von 536.913 Dollar entspricht, der nicht verkauft wurde“. (Sieben Werke wurden verkauft, für insgesamt 3.850 Dollar.)“ Wohl dem Künstler, der sich dieses Geschäftsmodell leisten kann.
8,6 Millionen Euro hat ein japanischer Bieter für die Birkin Bag von Jane Birkin bei Sotheby's in Paris bezahlt, meldet Tessa Solomon bei Artnews: „Sotheby's hat zwar kein Details zum Käufer bekannt gegeben, aber eine Quelle, die über den Verkauf Bescheid weiß, hat ARTnews erzählt, dass Lauren Sanchez, die neue Frau von Jeff Bezos, anonym mitgeboten hat. (Eine Quelle aus dem Umfeld von Sanchez und Bezos hat das Bieten aber abgestritten.) [...] Die originale Birkin-Tasche ging seit ihrem Verkauf durch Birkin im Jahr 1994 zur Finanzierung der AIDS-Forschung durch mehrere private Hände. Seitdem war sie jedoch einige Male öffentlich zu sehen, vor allem in Ausstellungen im Museum of Modern Art in New York und im Victoria & Albert Museum in London. Die Tasche wurde zuletzt vor 25 Jahren versteigert“. Für die FAZ ordnet Ursula Scheer den Preis ein: „Die teuerste je versteigerte 'Birkin Bag' war bislang eine 'Diamond Himalaya Birkin 30' aus grau-weiß gefärbtem Krokodilleder mit Beschlägen aus achtzehnkarätigem Gold und Diamanten. Sie schlug 2022 bei Sotheby’s in New York mit 450.000 Dollar zu Buche. Obwohl weit weniger luxuriös ausgestattet, erreichte die erste aller 'Birkins', die ramponiert mit Aufkleberresten daherkommt, einen weit höheren Preis. Der Hammer fiel erst bei sieben Millionen Euro. Mit Aufgeld zahlt der neue Besitzer 8.582.500 Euro und unterstreicht: Bei Sammlerware kommt es weniger auf den Materialwert als Provenienz, Originalität und den ideellen Wert an.“
Warum Sammler sammeln und ihre Kunst öffentlich zugänglich machen, hat Hilka Dirks acht deutsche Kunstsammler für die FAZ gefragt.
Die Halbierung der Berliner Atelierförderung beklagt Vera Drude im rbb: „Für die Förderung von Arbeitsräumen – dazu zählen auch Proben- und Projekträume - stehen künftig noch 22 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung. Vorher waren es 45 Millionen. 30 Prozent der Räume seien deshalb gefährdet, erklärt die Atelierbeauftragte Julia Brodauf. Bei manchen der Ateliers läuft der Mietvertrag aus, andere werden von der Stadt umgenutzt oder es fehlt das Geld für die notwendige Sanierung. Brodauf ist selbst Künstlerin und organisiert im Atelierbüro beim Berufsverband der bildenden Künstler:innen die Vergabe der Räume. 'Berlin beschädigt seinen Ruf, denn es ist einer der größten Standorte für Kunst und Kultur', sagt Brodauf.“
Das Grand Palais müsse nach seiner Sanierung Einnahmen generieren, erklärt sein Direktor Didier Fusillier laut Helga Meister in der WeLT:“ 486 Millionen Euro hat die Restaurierung gekostet, größtenteils vom Staat finanziert. 30 Millionen kamen von Mäzenen. 200 weitere Millionen hat das Grand Palais als Kredit aufgenommen, die es jetzt einspielen muss. Auch der Jahresetat von 100 Millionen Euro wird nur zu 14 Prozent vom Staat getragen. Der Rest muss durch Kartenverkauf und Großevents finanziert werden. Das erklärt das eklektische Programm des Hausherrn, der einerseits auf Mega-Events setzt, die viel Geld in die Kasse bringen, andererseits große Teile des Grand Palais umsonst zugänglich macht, um Familien anzulocken. [...] Der Pariser Kulturbetrieb mokiert sich bereits. 'C’est gonflé!', das sei dreist, titelte 'Le Quotidien de l’Art'. Das Magazin 'Marianne' sprach von 'Betrug', wenn Familienunterhaltung als Kunstausstellung betitelt wird. Am Ende geht es ins Bällebad, als wäre man beim Einkauf bei Ikea.“ Also doch lieber nur Hochkultur und Gaute Couture für die Wenigen in den Heiligen Hallen, die man sich aber gerne auf Kosten der Allgemeinheit sanieren lässt?