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Art Brussels 2024; Foto Stefan Kobel
Art Brussels 2024; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 18 2024

Von der Fülle des Gallery Weekend Berlin überwältigt zeigt sich Christian Herchenröder im Handelsblatt: „Das Programm der beteiligten 55 Galerien und weiterer Händler reicht von deutscher Abstraktion im Kunsthandel Wolfgang Werner bis zu neuen künstlerischen Positionen, wie sie die Landschaften der Amerikanerin Haley Mellin bei Dittrich & Schlechtriem verkörpern. Daneben gibt es ein Comeback der Malergruppe Mülheimer Freiheit bei Haas und starke Auftritte von Altmeistern wie Sean Scully bei Hetzler. Darüber hinaus laden zahlreiche Pop up-Ausstellungen unterschiedlicher Qualität zum Besuch. Wer das überbordende Kunstprogramm nur halbwegs bewältigen will, braucht mehr als drei Tage.“ Vom Abgang einer alteingesessenen Galerie des GWB berichtet Georg Imdahl im Rahmen seines Rundgangs für die FAZ: „Zu den Gründungsmitgliedern des Gallery Weekend zählte die vor 35 Jahren gegründete Galerie Klosterfelde, die sich mit einer Accrochage von der Hauptstadt verabschiedet und zurück nach Hamburg geht.“ An die Geschichte und die epochale Bedeutung der Veranstaltung nicht nur für Berlin erinnert Gesine Borcherdt in der WeLT: „Was wäre Berlin ohne das Gallery Weekend? Höchstwahrscheinlich das: eine Kunststadt ohne Kunstevent, ein Irrgarten aus kilometerweit voneinander entfernten und diffus angesiedelten Galerien, über die kein Mensch einen Überblick hätte und ein freudloser Ort, in dessen Museen Kämpfe mit Boykottaufrufen, Antisemitismus und Identitätspolitik statt mit Kunst ausgefochten werden. Mit dem Gallery Weekend ist Berlin das: eine Metropole, die ein großartiges Kunstfestival erfunden hat, bei dem aus aller Welt anreisende Kuratoren und Sammler, Touristen und Einheimische gemeinsam mit der hiesigen Kunstszene bei Frühlingslaune etwas feiern, das Berlin auszeichnet, Ausstellungen von herausragenden internationalen Künstlern in Galerien, die so etwas sind wie die versteckten Diamanten dieser Stadt.“ Die Veränderungen in der Stadt erläutert Kabir Jhala anhand des Berliner Neuzugangs Pace im Art Newspaper: „Erwägt Pace also die Eröffnung eines ständigen Standorts in Berlin zu einem späteren Zeitpunkt? 'Das ist sicherlich eine Möglichkeit', sagt [Pace-Direktorin Laura] Attanasio. 'Wir wollen die Dinge langsam angehen und erst einmal projektbezogen arbeiten.' Das Vordringen der Mega-Galerie in das einst marktscheue Berlin kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich die kulturelle Landschaft der Stadt aufgrund rapide steigender Mieten weiter verändert. 'Die Berliner Kunstszene hat in letzter Zeit einige schwierige Zeiten hinter sich', sagt Attanasio. 'Geld kam in die Stadt und viele Künstler verließen sie, aber es ist nicht genug Geld nach Berlin geflossen, um eine kritische Masse an großen kommerziellen Galerien zu erreichen, wie wir sie in Paris sehen.' Diese Verschiebung des Gleichgewichts ist im Bezirk Kreuzberg zu spüren, wo zwei benachbarte mittelgroße Galerien, Klemm's und Soy Capitán, ihre derzeitigen Standorte verlassen, nachdem sie zwangsgeräumt wurden. Ihr Vermieter will das Gebäude an private Immobilienentwickler verkaufen.“

Ein Charakterbild der Art Brussels zeichnet Ursula Scheer in der FAZ: „Ob optimistisch-abstrakt wie von Haddasah Emmerich bei Sofie Van de Velde (Antwerpen) oder doppelbödig-naturalistisch wie von Rinus Van de Velde bei der Tim Van Laere Gallery (Antwerpen, Rom): Malerei dominiert, durchaus auch mit weniger überzeugenden Beispielen als diesen. Die Art Brussels gibt Experimenten Raum. Das lässt sie jung wirken, an den Rändern aber ausfransen. Für Substanz sorgen museale Arbeiten wie eine Installation des 2010 verstorbenen Bildhauers Bernd Lohaus (Sofie Van de Velde). Und die Zukunft zeigt sich am Horizont“. Nur leise Kritik übt auch Alexandra Wach bei Monopol: „Es lohnt sich aber unbedingt, die Augen vor allem jenseits der gleichförmigen White Cubes des 'Prime'-Sektors offen zu halten. Da verfliegt dann auch mal die gefällig dekorative Buntheit der hochpreisigeren Werke und Abgründe tun sich auf“. Ich war für Handelsblatt und Artmagazine in Brüssel.

Mit einem Rekordzuschlag im Wiener Auktionshaus im Kinsky bei „nur“ 30 Millionen Euro zur unteren Schätzpreissumme hat das „Fräulein Lieser“ von Gustav Klimt ein wenig enttäuscht. Der Geschäftsführer Ernst Ploil macht in einer „Haltet den Dieb“-Finte die Medien verantwortlich, berichtet der Standard: “Er wies im APA-Interview darauf hin, dass vier sichere Interessenten sich erst ganz kurz vor der Auktion zurückgezogen hätten – und führte dies auf Medienberichte zurück, die etwa eine weitere Beforschung der Provenienz angeregt hatten. Zuletzt hatte via 'Süddeutsche Zeitung' auch ein Mann aus München Erbansprüche angemeldet. 'Ganz allgemein ist das Bild durch diese Geschichten nicht besser gemacht worden. All' das kann in einem derart sensiblen Markt den Unterschied machen. Auch ein sehr reicher Käufer will sich keine Zores einhandeln.'“ Selbst seine Hausaufgaben nicht machen, aber mit dem Finger auf Andere zeigen, das kennt man aus der Politik. Einen bezeichnenden Abschluss findet die ungeschickt gehandhabte Geschichte in einer Anekdote, die Nicole Scheyerer in der FAZ erzählt: „Ironischerweise sorgte auch die Identität der erfolgreichen Saalbieterin für Konfusion. Mehrere Zeitungen hielten die Asiatin für die Hongkonger Kunstberaterin Rosaline Wong. Tatsächlich handelte es sich um Patti Wong, ehemals Chefin von Sotheby’s Hongkong und seit 2023 selbständiger Art Advisor. Beide Wongs hatten jüngst mit Spitzenwerken Klimts zu tun: Rosaline Wongs Firma HomeArt lieh vergangenes Jahr Klimts 'Wasserschlangen II' an das Wiener Belvedere aus und hält das Bildnis 'Adele Bloch-Bauer II'. Patti Wong ersteigerte 2023 bei Sotheby’s in London Klimts 'Dame mit Fächer' zum Rekordpreis von über 99 Millionen Euro – für wen, blieb verborgen. Die Verwirrung perfekt machte Kinsky-Miteigentümer Ernst Ploil, als er gegenüber der Tageszeitung 'Die Presse' Rosaline Wong als neue Besitzerin bestätigte und tags darauf zurückruderte – ein peinlicher Fauxpas.“

Wie geht der Markt mit Stiftungen und Privatmuseen um, die beim Kauf begehrter Positionen bevorzugt werden, nur um sie nach einiger Zeit gewinnbringend wieder zu verkaufen? Katya Kazakina hat sich für Artnet (Paywall) der Frage angenommen: „Galerien haben lange Zeit Sammlern mit privaten Stiftungen oder Museen den Vorzug gegeben, wenn sie neue Werke von angesagten Künstlern verkauften, weil sie davon ausgingen, dass die Kunst nicht aus Profitgründen weiterverkauft würde, was den Markt des Künstlers stören könnte. Solche Käufer erhalten saftige Rabatte und müssen sich oft nicht an strenge Nichtweiterverkaufsvereinbarungen halten. Dennoch bringen private Stiftungen regelmäßig ihre Kunstwerke zur Versteigerung. [...] Chinesische Einrichtungen waren beim Verkauf besonders aktiv. Letztes Jahr verkaufte das Long Museum in Shanghai, von dem Künstler und Händler etwa ein Jahrzehnt lang mit stiller Ehrfurcht sprachen, viele seiner Spitzenbestände bei Sotheby's.“

Der sich als Kunstmäzen gerierende Immobilien-Heuschreck Nicolas Berggruen erklärt Kunst im Interview mit Felix von Boehm für Monopol zur „ultimativen Soft Power“, mit der er jetzt Venedig beglücken will: „Ich würde sogar sagen, Kunst ist die ultimative 'Soft Power'! Denn was ist das eigentlich? Es ist etwas, das jenseits der Fakten liegt, jenseits von Schwarz oder Weiß. Es ist etwas dazwischen. 'Soft Power' ist etwas, das tatsächlich erstrebenswert ist, das Träume zulässt, das Hoffnung zulässt, das Veränderung zulässt. Und in diesem Sinne ist die Kunst vielleicht die beste Verkörperung. Der Grund, warum wir für das Berggruen Institute Venedig als dritten Standort neben den USA und China gewählt haben, liegt darin, dass Venedig eine lange Geschichte hat und die Kunst die wichtigste nach außen gerichtete Repräsentation ist. Venedig ist, wenn man so will, eine Manifestation von 'Soft Power'.“ Timeo Danaos et dona ferentes.

Vergangenen Montag ist der Berliner Galerist Daniel Marzona an einem Schlaganfall gestorben. „Er war einer von denen, mit denen man stundenlang vor einer Skulptur aus zwei einander zärtlich berührenden Holzbalken stehen konnte“, schreibt Gesine Borcherdt in der WeLT. „Wenn Daniel Marzona an seiner Zigarette zog, verschmitzt lächelte und einem das Gefühl gab, genau zuzuhören, war es, als stünde die Zeit still – als gäbe es diesen überdrehten Kunstmarkt nicht, den er nie mochte.“ Im Tagesspiegel erinnert sich Christiane Meixner an ihn: „Immer nahm sich Marzona die Zeit, seine Begeisterung für die oft minimalistische Kunst in Worte zu fassen. Dabei blieb er leise, zurückhaltend, vermittelte die Werke für seine Verhältnisse aber doch enthusiastisch.“

Monopol wird 20. Herzlichen Glückwunsch!